Wieder eine Blogparade, dieses Mal über magische Momente 🙂 Marianna Sajaz hat im Rahmen der Content Society dazu aufgerufen, über unser Verhältnis zur Magie zu schreiben.
Anfang 22 habe ich über dieses Thema schon einmal gebloggt. Ich finde es spannend, wie stark bei aller Aufgeklärtheit oft die menschliche Sehnsucht nach irrationalen Ritualen ist. Warum zum Beispiel fassen wir gute Vorsätze zum Neuen Jahr? Warum liegt überhaupt der Beginn des Jahres am 1. Januar?
Was sind für mich magische Momente?
Mir fallen eine Menge kleiner, scheinbar unscheinbarer Situationen ein. In der Natur zu sein ist für mich immer mindestens ein bisschen magisch. Samenkörner in Töpfe zu stecken und nach Tagen der Ungeduld endlich das erste Grün zu beobachten, wie es sich durch die Erde schiebt und entfaltet, ist mehr als nur schön. Diese Unaufhaltsamkeit des Lebens ist gleichzeitig so zart und so beeindruckend.
Die magischen Momente in der Natur haben für mich oft mit Verbindung zu tun. Dem Gefühl, in etwas Großes eingebunden zu sein. Oft ist es auch die Schönheit einer Landschaft, die mir wieder Hoffnung gibt, wenn ich eine Zeit lang zu sehr auf die deprimierenden Nachrichten geachtet habe.
Wir sind gleichzeitig so bemerkenswerte Wesen und eigentlich sehr klein in diesem unfassbar großen Universum. Die Welt funktioniert sehr gut ohne uns und manchmal, wenn wir Gelegenheit dazu bekommen, verstehen wir das auf einer tiefen Bewusstseinsebene. Die Ehrfurcht, die wir dann empfinden, ist eine weitere Facette der Magie dieser Welt.
Nicht nur das neue Leben macht mir Gänsehaut. Auch die ungerührte stete Transformation dessen, was seine Zeit gehabt hat, die Kompostierung und Fermentation zu Neuem hat etwas Magisches. Leben ist Bewegung. Das ist mit ein Grund, aus dem es so heilsam und erdend ist, den Kreis der Jahreszeiten bewusst zu begleiten.
Magische Momente mit anderen Menschen erlebe ich als spontane Resonanz. Wenn ich mit anderen zusammen singe, lache oder Konzerte genieße, ist das im Idealfall mehr als nur gemeinsam angenehm verbrachte Zeit. Sich von Mitmenschen berühren zu lassen ist in den aktuellen Zeiten wichtiger denn je.
Magie selbstgemacht
Für mich hat Mathematik etwas Magisches. Mit ein paar Zahlen und Buchstaben kann ich zum Beispiel eine Kugel in den Raum zaubern. Und dort kann ich sie zum Beispiel einfach so an einem Punkt spiegeln. Wenn ich das möcht 😉 Wenn am Ende einer Rechnung alles passt und aufgeht, geht mir das Herz auf. Vielen meiner Schüler*innen geht das genauso 🙂
Manche magischen Momente haben wir also selbst in der Hand. Gerade, wenn es um Lernprozesse geht, in denen sich immer wieder ein paar Puzzlesteine drehen und unerwartet ineinander klicken. Das ist einer der Gründe, warum ich meine Arbeit als Nachhilfelehrerin so liebe.
Als ich noch im Schuldienst war, habe ich meine Schüler*innen sehr gerne experimentieren lassen. Auch die Chemie und Physik haben ihre magischen Seiten. Wer einmal Filzstiftfarbe mit einem Stück Filterpapier chromatographisch aufgespalten, Lycopodium oder Salze in eine Flamme geworfen oder Seife gesiedet hat, weiß wovon ich rede.
Als ich noch im Kindergarten war, wurde zu jedem Geburtstag aus Krepppapier ein Zylinder geklebt, senkrecht aufgestellt und angezündet. Diese Erinnerung hat sich bei mir tief eingeprägt. Ich mache etwas Ähnliches heute noch gerne mit entleerten Teebeuteln. Dem Feuerring beim Aufsteigen zuzusehen, bewegt mich immer noch und jedes Mal wieder.
Heute weiß ich, warum diese „Rakete“ aufsteigt. Um es mit Terry Pratchett zu sagen:
“It’s still magic even if you know how it’s done.”
Terry Pratchett, A Hat Full of Sky
Ich weiß, warum verschiedene Metalle unterschiedliche Flammenfarben bewirken und warum die Bärlappsporen in so einer großen Flamme verpuffen. Das tut der Magie keinen Abbruch. Im Gegenteil, diese Momente selbst erzeugen zu können, ist Teil der Erfahrung. Ein bisschen Selbstwirksamkeit verbessert den Kontakt mit der Welt um uns herum.
Magie in aufgeklärten Zeiten
Manche Vorgänge kann ich mit meinem Wissen nicht erklären. Der Schriftsteller Arthur C. Clarke drückte das so aus:
“Any sufficiently advanced technology is indistinguishable from magic.”
Arthur C. Clarke
Wären Zeitreisen möglich, wären Menschen aus dem Mittelalter sicher schockiert von Smartphones. Möglicherweise bekämen wir auch Besuch aus einer Zukunft, in der Technologien genutzt werden, die wir aktuell für kaum möglich halten.
Es ist wie so oft eine Frage der Perspektive. Ich entscheide mich dafür, immer mal wieder bewusst das Wunderbare in den Dingen wahrzunehmen, die uns im Alltag umgeben. Und auf die Magie gespannt zu sein, die noch auf uns zukommt. Und gleichzeitig finde ich gerne heraus, warum etwas funktioniert.
Offen sein für magische Momente
Um Magie zu erleben, muss ich mein Bewusstsein auf sie richten. Als ich einmal wieder in Dithmarschen zu Besuch war, einer sehr dünn besiedelten Region mit wenig Lichtverschmutzung, sah ich draußen in den Nachthimmel. Und bewunderte die überwältigende Anzahl an glitzernden Sternen.
In meinen Jahren in London hatte der Himmel nachts eine seltsame „dunkelblaugelbe“ Farbe und gab praktisch nur den Mond preis. An diesem Abend in Dithmarschen ging mein Blick eher zufällig „kurz“ nach oben. mit dem Ergebnis, dass ich ihn vor lauter Ergriffenheit einige Minuten lang nicht senken konnte.
Dieser bewusste Blick ist eine kindliche Perspektive auf meine Umwelt. Wenn es regnet und die Sonne herauskommt, renne ich vor die Tür und suche „meinen“ Regenbogen. Der bringt mir rational betrachtet überhaupt nichts, vor allem wenn ich eigentlich stattdessen weiter Wäsche hätte falten sollen. Und gleichzeitig wird ein Teil in mir besonders lebendig, wenn ich mich im richtigen Moment für das Erlebnis geöffnet habe.
Im Umgang mit Mitmenschen muss ich mich verletzlich machen, um berührt zu werden. Das finde ich persönlich deutlich schwieriger als die Kontaktaufnahme mit einem Baum, dem Nachthimmel oder einem Regenbogen. Umso lohnender sind die magischen Momente dann, die ich mitten auf einem Metalfestival oder beim Outreach im Gespräch mit Fremden erlebe, wenn ganz unverhofft Gemeinschaft und gegenseitiges Verständnis entstehen.
Was braucht Magie also?
Wir können dazu beitragen, dass wir magische Momente erleben. Und das hat sehr viel mit Haltung zu tun:
- Wir können bewusst Dinge tun, von denen wir wissen, dass sie sich magisch anfühlen.
- Wir können den Stand der Naturwissenschaft wertschätzen und gleichzeitig mit einer kindlichen Perspektive auf die Wunder der Natur schauen.
- Wir können uns für diese Momente öffnen, damit wir bereit sind, wenn sie passieren.
Was meinst du?
Hast du in deinem Leben bewusst Platz für magische Momente? Wie erlebst du sie? Was tust du dafür? Was würdest du anderen Menschen empfehlen, die mehr Magie in ihr Leben einladen wollen?
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