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Frühlingsanfang: schwearz weiße zeichnung eines Kreises in Yin und Yang Form, die dunkle Hälfte ist mit Blättern ausgefüllt, die äußere Kreislinie besteht aus einem runden Weidenkätzchenzweig

20. März: Frühlingsanfang

Widersprüche in Balance

Die Frühlingstagundnachtgleiche ist einer der beiden Punkte auf der Erdbahn, an denen der lichte Tag und die Nacht gleich lange dauern, und an denen auf der anderen Seite die Änderungsraten der Sonnenstunden am größten sind. Genau zum astronomischen Frühlingsanfang kippen wir besonders schnell in die helle Jahreshälfte, wenn auch dann ab heute jeden Tag langsamer.

Und damit sind wir schon mitten in den Themen dieses Feiertages: Scheinbare Paradoxien, die sich gegenseitig in sich beherbergen. Eine perfekte Balance, die besonders schnell vergeht. Ausgewogenheit von Licht und Schatten. Und der Startschuss, das unaufhaltsame Hervorbrechen des Lebens.

Das Leben bricht hervor

Während es zu Lichtmess eher zaghaft zu erahnen war, dass bald der Frühling kommen würde, können wir jetzt vielen Sträuchern dabei zusehen, wie ihnen grüne Blätter wachsen, wie die Forsythien die Vorgärten gelb färben. Wer in der Nähe von Schafherden lebt, kann jetzt die Lämmer herumspringen sehen und früher war es tatsächlich so, dass auch Hühnereier im Winter Mangelware waren. In den letzten Tagen habe ich verstärkt Insekten herumfliegen sehen, heute klopfte zum ersten Mal in diesem Jahr eine Hummel an mein Fenster.

Wie es das Kinderlied so schön berichtet, im Märzen werden „Felder und Wiesen in Stand“ gesetzt. Ein paar Saaten kann ich jetzt schon ins Freiland ausgebingen, zum Beispiel habe ich eine Schmetterlings- und eine Bienenmischung ausgestreut und sehe seitdem den Rotkehlchen und Spatzen zu, wie sie die Körner wieder wegfuttern. Die durch das Coronavirus unfreiwillig ausgedehnte Freizeit werde ich damit verbringen, endlich in unserem Garten einen Bereich zum Gemüseanbau einzurichten. Das hatte ich schon länger vor, aber den richtigen Zeitpunkt habe ich dann doch immer wieder verpasst.

Zu Lichtmess habe ich noch geplant und Däumchen gedreht, jetzt ist die Zeit, einiges davon in die Tat umzusetzen. Eine weitere traditionelle Tätigkeit ist der Frühjahrsputz, der alten Staub beseitigt, um Platz für Neues zu schaffen. Und gerade aktuell ist es für das Immunsystem von Bedeutung, draußen an der frischen Luft mit ausreichendem Abstand zu anderen Menschen zu laufen oder gehen. Wie in meinem letzten Post bemerkt, können wir dabei in sozialer Distanz erst recht wahrnehmen, wie sehr wir in Wirklichkeit in das Netzwerk des Lebens eingebettet sind.

Balance zwischen hell und dunkel

So sehr wir uns auch darüber freuen, dass es jetzt heller als dunkler ist: Das Jahr bildet einen immerwährenden Kreis. Je intensiver wir das Dunkle ablehnen, umso mehr wird es uns dann im Herbst emotional wieder einholen. Das, was ich in mir oder um mich herum ablehne, blubbert zuverlässig irgendwo anders wieder hoch. Es lohnt sich, stattdessen das Eine im Anderen zu sehen. Zu gucken, was aus der anderen Jahreshälfte ich mitnehmen kann. Was in mir möchte in andere, von mir bisher deutlich stärker wertgeschätzte Bereiche meiner Selbst integriert werden? Was sollte ich allerdings doch für den Frühling beiseite schaffen, damit ich wirklich für Neues bereit bin? Wie schaffe ich durch das alles eine wirkliche Balance?

Mythen und Traditionen

Jacob Grimm schrieb über eine Frühlingsgöttin Ostara, die es in Listen für Kreuzworträtselbegriffe geschafft hat, deren historische Authentizität aber eher zweifelhaft ist. Auch wenn germanische Stämme diese Göttin nicht unter diesem Namen feierten, gibt es in verschiedenen Regionen der Welt diverse Mythen von einer Frühlingsgöttin, die nach einer Entführung in der Unterwelt lebt und zum Frühlingsanfang wieder zurückkehrt.

Es ist davon auszugehen, dass die Menschen, die früher noch näher am Wechsel der Jahreszeiten, dem Kreislauf von Saat, Ernte und Mangelzeiten lebten, sich durch ihre Beobachtungen des scheinbaren Sonnenlaufs am Himmel auch der Äquinoktien bewusst waren, wenn uns auch über die genauen Riten nichts überliefert ist. Ein wichtiger Aspekt der Frühlingsgöttin bleibt, dass sie den Frühling genau wie den Tod bringt. Auch sie trägt immer für ein halbes Jahr einen Teil der anderen Persönlichkeit mit sich, was sich wandelt, ist nur ihre äußere Erscheinung.

Ein anderer Mythos erzählt von Kybele und Attis, die auf sagenhafte Weise aus einem einzigen Wesen entstehen. Nachdem sie eine Weile zusammenleben, trennen sich ihre Wege und unter dramatischen Umständen stirbt Attis. Der trauernden Kybele gewährt Zeus nur, dass der Leichnam nicht verwesen sollte. Bemerkenswerterweise war auch diese Geschichte von jeweils ineinander vereinten Polaritäten, vom Opfer, der Ewigkeit und der Sehnsucht nach der Einheit die Grundlage für ein Fest, das über einen langen Zeitraum um die Frühlingstagundnachgleiche herum gefeiert wurde.

Wie sieht es bei dir aus?

Wie zeigt sich aktuell die Natur dort, wo Du lebst? Wie machst Du das, dass Du den kurzen Moment im Gleichgewicht wahrnimmst und gerade seine Vergänglichkeit bewusst genießt? Wie gehst Du mit Widersprüchen, Erwünschtem und Abgelehntem um? Ist in Deinem Leben Platz für neues grünes Laub? Was aus der dunklen Jahreshälfte mitzunehmen, ist für Dich wichtig? Was ist (scheinbar) zu opfern?

Hier habe ich eine Meditation zum Thema Gleichgewicht und Frühlingsanfang hochgeladen. Vielleicht ist es ja noch einmal tiefgehender, die Fragen zum 20. März in einer anderen Weise auf sich wirken zu lassen.

Dieser Artikel bezieht sich übrigens auf diesen Hauptblogpost. Im Laufe des Jahres 2020 werde ich für jeden Termin einen weiteren Artikel dazu fügen. Sei also gespannt auf den 1. Mai!


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