Ich liebe den Dezember. Obwohl ich einige der verbreiteten Traditionen nicht mitmache, freue ich mich jedes Jahr darauf. Vor allem darauf, Weihnachten entspannt zu verbringen. Aus den Jahren, in denen es nicht so gemütlich lief, habe ich für mich Lektionen gezogen und daraus meine eigenen Traditionen gemacht.
Was ist Weihnachten für mich?
Ich feiere nicht die Geburt Jesu, sondern die Wintersonnenwende. Das ist für mich eine Zeit des Rückzugs und der Entschleunigung. Genauso wie die Veränderungen der Sonnenstunden immer kleiner werden, bis schließlich die Nacht besonders lang ist, rolle ich in meinen Aktivitäten allmählich zum 20./21. Dezember hin aus.
Weihnachten ist für mich die Zeit, in der ich mich frage: Worin gründet meine Zuversicht? Was wurde mir dieses Jahr von der Welt und dem Leben geschenkt? Was habe ich zu schenken?
Der Winter ist gleichzeitig furchterregend und Kraft spendend. Wenn draußen keine Nahrung mehr wächst, sind wir existenziell bedroht. Und zugleich wissen wir aus Erfahrung, dass nach dieser längsten Nacht der Jahreskreis sich weiter dreht und die Natur nach einer kurzen Verschnaufpause wieder neues Leben hervorbringen wird.
Die Kompromisse
Weil Weihnachten mir persönlich so viel bedeutet, mache ich Kompromisse nur noch mit der Person, die direkt mit betroffen ist. Mein Mann feiert als Christ am 24. Dezember, geht dann in die Kirche und möchte einen Weihnachtsbaum haben.
Ich selbst bräuchte keinen Baum. Und weil er ökologisch auch nicht sonderlich sinnvoll ist, würde ich selbst heute eher einen Friesenbaum oder etwas ähnliches aufstellen. Immerhin haben wir immer relativ kleine Bäume und sie kommen aus einem Umkreis von ungefähr einem Kilometer. Das ist ein großer Vorteil des Baumschulkreises Pinneberg. Und die Kugeln sind noch aus unserer Zeit in London, also mehr als zwanzig Jahre alt.
Wir wünschen uns immer zweimal „Fröhliche Weihnachten“: Zur Sonnenwende und zu Heiligabend. Das bedeutet für uns einfach eine längere Phase der Feierlichkeiten und wir nehmen uns gegenseitig ernst und nichts weg.
Wo feiere ich gemütlich Weihnachten?
Hier mache ich keine Kompromisse. Früher bin ich um die Weihnachtszeit noch durch die Gegend gereist und habe oft an zwei Familienfeiern teilgenommen. Aber gerade in diesen Tagen finde wohl nicht nur ich Reisen besonders stressig, ob nun mit der Bahn oder im Auto. Wenn ich schon mein Zuhause schön weihnachtlich dekoriert und sogar einen Baum aufgestellt habe, möchte ich auch dort in aller Ruhe feiern.
Seit Jahren feiern wir jetzt zu zweit zu Hause. Wir sind offen dafür, hier Menschen zu Gast zu haben, allerdings nicht zu Heiligabend. Wir nehmen uns diese Freiheit, genauso wie wir anderen die gleiche Freiheit geben.
Und hier sehe ich eine wichtige Voraussetzung für die Entspannung, denn ich höre von verschiedenen Seiten Geschichten über teils beklemmende Familientreffen, die eigentlich für alle nur Pflichtveranstaltungen sind und ein „same procedure as every year“, aber nicht im guten Sinne.
Die Adventskalender
Wir haben einen befüllbaren Adventskalender aus Stoff, den habe ich früher oft mit Schokolade bestückt. Dieses Jahr hängt er nur dekorativ an der Küchentür. 2023 hatte ich einen Häkeladventskalender. Den hatte mir meine Schwester zum Geburtstag geschenkt und es gab jedes Jahr eine dekorative Figur zu häkeln.
2024 hat mir eine liebe Freundin einen Kalender aus Pappe geschenkt. Mit dem konnte ich eine Schildkröte dabei begleiten, wie sie aus dem Ei schlüpft und sich auf den Weg ins Meer macht. Ich genieße es sehr, jeden Tag eine kleine Erinnerung zu haben, wie weit der Dezember jeweils fortgeschritten ist.
Weitere kalorienfreie Kalender die ich verfolgt habe, waren:
- Die Alltagstipps der Omas for Future und den klimafreundlichen Kalender von FFF Elmshorn auf instagram. Beide einfach liebevoll gemacht und unterhaltsam. Außerdem waren wirklich hilfreiche Dinge dabei 😊
- Die Tipps gegen Populismus der Psychologists for Future auf instagram. Das ist ein Thema, das auch mir sehr unter den Nägeln brennt.
- Den Email-Kurs für Branding-Photos von Karina Schuh. Sie hat eine Menge technische Tipps in appetitliche Häppchen verpackt, von denen ich einige zwischen den Jahren richtig umsetzen werde.
Die Weihnachtsmusik
Von Anfang Dezember an hören wir zum Frühstück nicht mehr den ansonsten gewohnten Metalstream. Ich liebe Weihnachtsmusik, von alt bis neu, von sphärisch bis Metal. Mir gefällt sogar „Last Christmas“ im Original und in fast allen mir bisher vorgespielten Coverversionen.
Es gibt nur zwei Weihnachtslieder, die ich aus ästhetischen Gründen nicht gerne mag: „Little Drummer Boy“ und „Feliz Navidad“. Die beiden fressen sich entsprechend umso zuverlässiger pünktlich ab dem 1. Dezember als Ohrwurm in mein Gehirn.
Ich selbst singe auch gerne Wintersonnenwendlieder. Allerdings drücken bei mir die klassischen deutschen Weihnachtslieder Knöpfe aus meiner Kindheit und die englischen Carols drücken Nostalgieknöpfe aus den Jahren in England. Da geht bei mir Melodie vor Inhalt. Und viele Liedertexte passen grundsätzlich auch zu meinen Sonnenwendgedanken über Hoffnung und Licht in der Dunkelheit.
Die Musikkulisse hilft mir, mein Gehirn nachhaltig auf Weihnachten zu flauschen.
Das Essen
Ich bin diejenige, die zu beiden Feiertagen ausführlich kocht. Mit Vorspeise und Nachtisch und manchmal abenteuerlich mit neuen Rezepten.
Manchmal geht das Abenteuer gut. Und manchmal wird der „Lentil Wreath“, der auf dem Rezeptfoto so festlich aussah, nicht fest. Dann kann ich mich allerdings drauf verlassen, dass mein Mann auch ein abgesacktes Menü klaglos aufisst.
Das Kochen ist bisher noch der einzige Punkt, an dem mein Weihnachten nicht komplett entspannt ist. Ich stehe zwischen dem Wunsch, eine Tradition zu etablieren und die unzähligen verführerischen veganen Weihnachtsrezepte auszuprobieren. Bisher habe ich mich noch nicht festlegen können.
Dieses Jahr habe ich immerhin den Rollbraten einmal vorher ausprobiert und für lecker und praktikabel befunden. Für mehr Entspannung habe ich jetzt beschlossen, mir noch 2024 zwei Menüs für Weihnachten 2025 zu überlegen, den gesamten Einkaufszettel zu schreiben und in meinem Googlekalender als Benachrichtigung abzulegen 😄
Ähnlich läuft es mit den Keksen, es gibt so viele herrliche Rezepte. Allerdings muss die dann ja auch jemand essen 😉 Also beschränke ich mich auf drei Varianten und die halten dann den ganzen Dezember über. So ganz allmählich setzt über die Jahre auch da eine feierliche Gemütlichkeit ein.
Der Weihnachtsmann und die Geschenke
Als ich Kind war, haben unsere Eltern uns nichts vom Weihnachtsmann erzählt. Jedenfalls nicht über das hinaus, was wir in Liedern gesungen oder in Geschichten gelesen haben. So weit ich zurück denken kann, war mir klar, von wem die Geschenke kamen und ich bin den beiden dafür dankbar.
Hätte ich irgendwann erfahren, dass sie mir ohne Not etwas erzählt hatten, was gar nicht stimmte, hätte ich das schwierig gefunden. Und ich hätte mich gefragt, was von ihren Behauptungen eventuell noch alles nicht gestimmt hätte. Für mich als Kind war es wichtig, für voll genommen zu werden. Und auch heute noch sind Ehrlichkeit und Wahrheit für mich existenzielle Werte.
Dabei hat die Weihnachtsmagie nie gelitten. Sonst wäre ich ja heute auch nicht so ein Weihnachtsfan. Ich wusste nur die Geschenke der Person zuzuordnen. Und ich fand es schön zu sehen, wie dieser Mensch sich Gedanken gemacht und mich beschenkt hatte.
Heute habe ich mit meinen Lieben ein Abkommen, mit dem wir uns nichts mehr schenken. Weil wir alle alles haben, was wir brauchen. Wir schenken uns Aufmerksamkeit und Freiheit. Das ist für mich persönlich passender. Und außerdem spart es uns allen, uns in den Konsumrummel stürzen zu müssen, und zu befürchten, das Geschenk könne doch nicht ganz das Richtige sein.
Dieses Jahr habe ich mit meiner Familie über Video gechattet, das war sehr verbindend und festlich.
Die Weihnachtskarten
Einige Jahre habe ich an praktisch alle meine Familienmitglieder Karten geschickt, außerdem noch an ein paar Freundinnen. Das waren locker 40 Karten. In manchen Jahren habe ich die sogar selbst gebastelt und gemalt. Karten zu schreiben ist für mich einerseits eine schöne Form, Kontakt zu halten und in Weihnachtsstimmung zu kommen. Allerdings hatte ich mir damit auch viel Zeitaufwand ans Bein gebunden. Und irgendwie kam der letztmögliche Absendetag immer überraschend plötzlich.
Bei Post mit Herz habe ich mehrere Male teilgenommen. Diese Organisation sammelt Briefkarten von Freiwilligen und sendet sie an Menschen, die sonst keine Post bekämen, zum Beispiel in Pflegeheimen an Menschen ohne Obdach. Dieses Jahr war ich zu spät mit der Anmeldung und sie brauchten keine Karten mehr. Aber zu Ostern bin ich gerne wieder dabei!
Dieses Jahr habe ich mich auf 10 Karten für die Familie und zusätzlich welche für aktuelle Schüler*innen beschränkt. Selbst dabei war es dann etwas knapp, weil durch die Baustelle der Briefkasten vor unserer Straßeneinfahrt vorübergehend demontiert worden war. Das hatte ich nicht eingeplant und musste dann noch zügig mit dem Rad zur Hauptpost nach Pinneberg düsen.
Für die Zukunft habe ich jetzt eine Benachrichtigung in meinem Googlekalender. Hoffentlich hilft mir die, mit reichlich zeitlichem Vorlauf Karten zu organisieren und ganz entspannt bei der Post einzureichen.
Sonstige Traditionen
Rausgehen
Wenn wir es schaffen, besuchen wir im Advent Weihnachtsmärkte. Meistens kaufen wir dort gar nichts, sondern schlendern nur drüber und nehmen die Stimmung, die Geräusche und die Gerüche auf. Ich gehe sowieso jeden Tag spazieren, und in der zweiten Dezemberhälfte beobachte ich sehr aufmerksam, wo und wann sich die Sonne vom Himmel verabschiedet. Als ausgemachtes Nordlicht genieße ich auch die kalte Luft um mich herum.
Die Sonne
Am Morgen nach der kürzesten Nacht versuche ich, die Sonne beim Aufgehen zu beobachten. Das klappt hier in Norddeutschland eher selten, denn im Dezember ist der Himmel meistens bedeckt.
Etwa eine Stunde später geht die Sonne in Stonehange auf. Das sehe ich mir bei einer Tasse Tee und Keksen im Live-Stream an und denke mir, wie frustrierend der selbe Wolkenschleier für die Menschen gewesen sein muss, die damals unter großem Aufwand die Monolithen zusammen geschleppt haben. Das gibt mir eine Perspektive für meine eher geringen Strapazen mit dem Blick aus dem Dachfenster.
In Newgrange lief es 2023 und 2024 mit dem Wetter etwas besser und eine Handvoll glücklicher Lottogewinner*innen konnte sich in der Kammer ansehen, wie das Sonnenlicht hinein und wieder heraus wanderte. Auch dieses Spektakel sehe ich mir im Live-Stream an.
Singen mit Dave
Ein weiteres Online-Ereignis ist das Hauskonzert von Damh the Bard. Dabei spielt er viele eigene Lieder, es wird gemeinsam für Geburtstagskinder gesungen und es gibt eine Kerzen-Zeremonie. Diese Tradition ist für mich wunderbar verbindend und gibt mir extra Hoffnung, dass da draußen noch viele Menschen sind, die zu einem gelingenden Zusammenleben beitragen wollen. In diesem Jahr passte Daves neues Lied „Something Beautiful“ besonders gut dazu:
„For the future’s like a seed within our hands,
Damh the Bard
It will better grow in soil than in sand,
We can plough and sow together, hand in hand,
And watch the flowers spread throughout the land,
Let’s do something beautiful.“
Wenn das nicht weihnachtlich ist, weiß ich auch nicht weiter.
Organisation und Rückzug
Darüber hinaus habe ich mir im Januar eine Weihnachtskiste zugelegt. Das war Bestandteil meiner To-Want-Liste für das 1. Quartal 24. In dieser Kiste sind alle Weihnachts-CDs und Weihnachtsfilm-DVDs neben übrig gebliebenen leeren Karten und Dekoration. Der Plan war, dass ich damit vermeide, mich im Januar wieder zu ärgern, dass ich vergessen habe, diese CDs beziehungsweise DVDs zu hören oder sehen 😄 Und die Kiste hat tatsächlich geholfen!
Ich mache keine spezifischen Rauhnachtrituale. Allerdings ist die Zeit von der Sonnenwende bis ungefähr zum 6. Januar für mich für den Rückzug, die Rückschau und die grobe Planung des kommenden Jahres reserviert.
Seit Januar 24 habe ich dafür einen Begriff: Hurkle Durkle. Der Ausdruck kommt aus dem Schottischen, bedeutet so viel wie „im Bett liegenbleiben, obwohl ich eigentlich aufstehen sollte“ und transportiert genau das Gefühl von Freiheit und Luxus, das für mich die Tage zwischen den Jahren einfärbt.
Gemeinsam mit den anderen Traditionen und Abmachungen sorgt mein Hurkle Durkle dafür, dass das eine Jahr entspannt zu Ende geht und das neue Jahr gelassen anfängt.
Mein Fazit
Was meine Feiertage so gemütlich und gelassen macht? Dass ich auf meine Bedürfnisse und auf die meines Mannes höre. Dass wir beide unsere Traditionen gemeinsam neu ausgerichtet haben. Dass wir uns nicht um die Erwartungshaltung der Mehrheit gekümmert haben. Wir nehmen uns die Freiheit unsere ganz eigene Advents- und Weihnachtszeit zu gestalten.
Wenn wir uns zugestehen, unsere Zeit so zu verbringen, wie es und entspricht: Was sollte passieren? Könnte es unangenehmer kommen, als dass wir uns ein paar Tage verbiegen, nur um in eine gesellschaftliche Schablone zu passen? Ich persönlich habe jedenfalls viel Weihnachtsgenuss gewonnen und nichts verloren.
Aus dem Sortiment der Weihnachtsbausteine haben wir Musik, Dekorationen, Kerzen, Karten und Kekse übernommen. Die Hektik, den Konsum und sonstige gesellschaftlich erwartete, aber uns nicht entsprechende Aktivitäten haben wir einfach losgelassen.
Was meinst du zu entspannten Weihnachten?
Feierst du Weihnachten? Wenn ja, hast du dafür Traditionen? Empfindest du diese Zeit als so gelassen, wie du sie gerne hättest? Was hast du für Tipps, um den dunklen letzten Monat des Jahres für dich genau passend zu gestalten?
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