Bilanz Juli 23
Heute geht es mal ziemlich meta um Selbstblockade. Die Sommerferien sind zu mehr als einem Drittel herum und ich frage mich, wo die Zeit geblieben ist. Der Plan war, Anfang Juli den Rückblick auf den Juni 23 zu schreiben, danach ein paar Mathematikblogposts. Heute ist der 31 Juli und ich habe bisher insgesamt in Zahlen null Blogartikel verfasst.
Und das ist nur der Blog-Teil meiner nicht erledigten ToDos. Manchmal habe ich Phasen, in denen ich untertauche wie ein U-Boot. Mich nur soweit melde, wie es wirklich ausdrücklich nötig ist. Gerade mal den Alltagskram erledige, den ich dringend erledigt haben möchte. Es ist überhaupt nicht persönlich gemeint, wenn ich auf Anfragen nicht reagiere. Gleichzeitig grübele ich in solchen Zeiten noch zusätzlich häufig. Ich stelle mir vor, dass bestimmt andere Personen deswegen langsam aber sicher sauer sind.
Es geht nicht nur um Aktivitäten, die ich nicht gerne mache. Die könnte ich zur Not streichen oder delegieren. Sondern um das Bloggen, das Geschichtenschreiben und andere Dinge, die mir eigentlich Spaß machen. Das macht die Blockade so extra unverständlich und frustrierend.
An Tipps und Lesematerial zum Thema Selbstblockade mangelt es online und in gedruckter Papierform nicht. Ich habe natürlich einiges an Methoden während meiner Coachingausbildung gelernt. Und doch falle ich immer wieder so hinten rüber. Warum eigentlich und was hilft mir dann?
Was trägt bei mir zur Blockade bei?
Von innen
Ein Teil kommt aus meinem Inneren. Ich reagiere manchmal auf Erwartungen von außen oder auch meine eigenen Ansprüche mit erstaunlich effektiver Vermeidung und Ablenkung. Oh guck mal, ein Eichhörnchen! Diesem Teil meines inneren Teams bin ich aktuell auf der Spur. Nach bald 50 Jahren ist es auch mal Zeit für neue Strategien im Umgang mit dieser Persönlichkeit.
Von außen – Eigenbau
Einen Teil stelle ich äußerlich her, indem ich mir immer wieder zu viel vornehme. Ich habe schon diverse Methoden für ToDo-Listen (Papier und elektronisch) durch. Auch die Eisenhowermatrix und Bulletjournal-Layouts von minimalistisch bis liebevoll bunt beklebt. Bei anderen Menschen klappen diese Zeitmanagementmethoden anscheinend. An mir haben sie sich allesamt die Zähne ausgebissen. Wenn ich mir dann komplett die Schnürsenkel über Kreuz zusammengeknotet habe, ist erstmal wieder Zeit für einen Rückzug. Auf unbestimmte Zeit.
Manche Dinge stehen schon lange auf meiner ToDo-Liste. Ich habe mich inzwischen so an sie gewöhnt, dass ich sie nicht streichen mag. Gleichzeitig scheinen sie bei ganz rationaler Betrachtung gar nicht so existenziell wichtig zu sein. Denn auch wenn ich sie noch nicht abgehakt habe: Die Welt dreht sich immer noch mit mir an Bord.
Von außen – Weltgeschehen
Ein Teil kommt wirklich von außen. Und an der Stelle horcht der Teil in mir auf, der auch mal was anderes betreiben will als Selbstanalyse. Neulich schrieb jemand auf Mastodon, wie schwer es ist, heutzutage überhaupt noch etwas fühlen zu können. Eine Krise stapelt sich auf die nächste. An vielen Orten brennt es buchstäblich und statt einer Pause scheint sich das alles gefühlt eher zu beschleunigen.
Als ich am Rückblick auf den Juni saß, sah ich ein Photo von meiner mickrigen Ernte an Johannisbeeren. Das erinnerte mich daran, wie staubig trocken der Garten zeitweise war. Wie leer die Regentonne. Ich wollte aber auch nicht täglich mit Leitungswasser gießen wollte. Letztlich habe ich dann mit mir einen Kompromiss ausgehandelt und nur ausgewählte Pflanzen gewässert. Dadurch wurde mir nochmal extra bewusst, wie verletzlich unser Lebensmodell eigentlich ist und wie abhängig von Umständen, die wir nur sehr begrenzt kontrollieren können.
Ein Ergebnis war, dass ich den Blogpost mitten im Schreiben geschlossen und bis heute nicht wieder geöffnet habe. Mein letztes Bild auf Instagram waren die Temperaturstreifen von #ShowYourStripes. Eine ziemlich passende Botschaft, um danach erst einmal eine Weile nichts mehr zu sagen zu haben.
Was sind gängige Tipps gegen Selbstblockade?
Bewusstsein
Um eine (Selbst)Blockade sinnvoll angehen zu können, muss sie mir erstmal bewusst sein. Klingt trivial, aber ich erinnere noch einmal an die aktuelle Schwierigkeit, regelmäßig mit unseren Gefühlen in Kontakt zu gehen. Oder auch ein gutes Körperbewusstsein aufrecht zu erhalten, das uns verlässlich anzeigt, wenn wir über unsere Grenzen gehen oder auf Eichhörnchensafari verschwinden.
Vorsorge
Ein zentraler Trick ist es, Achtsamkeit zu üben, bevor wir so sehr zuviel haben, dass wir uns zurückziehen müssen. Genauso können wir trainingshalber und vorsorglich in kleinen Schritten unsere Komfortzonen erweitern. Das unterstützt uns dabei, uns zu anderen Zeiten nicht selbstgesteuert einzuengen.
Mental
Was sich immer lohnt: Glaubenssätze erst einmal ans Tageslicht zu holen und dann zu bearbeiten. Wenn eine Person zum Beispiel glaubt, sie müsste jederzeit viel leisten, dann ist die innere Meuterei vorprogrammiert. Oder ist das vielleicht auch nur wieder ein Glaubenssatz? 😉
Körperlich
Auch wenn schon die ersten dunklen Wolken aufgezogen sind, ist leichte Bewegung eine gute Idee. Nordic Walking hat mich durch die Jahre 2020 bis 2022 durchgetragen. Die Landschaft zog gemächlich an mir vorüber, die Jahreszeiten, das Grün, der Wind und das Wetter. Das vermittelt so viel Lebendigkeit und Gelassenheit. Es richtet viele Prioritäten und die Gehirnchemie wieder neu aus.
Hilfe annehmen
Wenn alles nichts mehr hilft und am besten frühzeitig, sollten wir uns professionell bei unserer Selbstblockade helfen lassen. Ich habe die Solarplatten auch nicht eigenhändig auf unser Dach geschraubt, für manche Fälle gibt es aus guten Gründen Profis. Und irgendwann klappt einfach der Trick mit dem Herausziehen am eigenen Schlafittchen nicht mehr gut genug.
Wie komme ich persönlich aus so einer Selbstblockade heraus?
Im Mai 23 schrieb ich über meine Bestimmung. Der erste und grundlegende Punkt dabei war Selbstfürsorge. Das bedeutet, dass ich zuerst für mich verantwortlich bin. Für meinen Energiehaushalt und für ein mir angemessenes Tempo und Aktivitätslevel. Es war wohl mal wieder Zeit, das neu zu lernen und zu üben.
Praktisch gesehen sieht es so aus, dass ich Nachsicht mit mir öbe. Ich halte gleichzeitig Termine gering und die Augen offen für Dinge, die mir gut tun. Mein Coachingausbilder hat oft gesagt: „Du kannst nicht machen, dass der Bus kommt, aber du kannst dich an die Haltestelle stellen.“ Zur Vorsorge und auch im Rückzug gehe ich draußen walken und spazieren, so oft es der norddeutsche Sommer zulässt.
Immerhin habe ich es schon mehrere Male geschafft, aus der Selbstblockade wieder aufzutauchen. Zu wissen, dass ich das kann, hat mich auch dieses Mal unterstützt. Es ist für mich ein sehr wichtiger Schlüssel.
In der Coachingausbildung haben mich am meisten die paradoxen Interventionen gestresst. Mich macht Widersprüchlichkeit gerne spontan rebellisch. Und gleichzeitig komme ich ohne Paradoxie schwerer voran. Es ist quasi eine Zeitreise in die Vergangenheit, wenn ich mich erinnere, dass ich schon oft wieder aufgetaucht bin. Und eine Reise in die Zukunft, wenn ich mir versichere, dass ich auch dieses Mal wieder das richtige Fadenende finden werde.
Ein Thema dahinter heißt Versöhnung. Und zwar mit der Paradoxie und dem Teil in mir, der weder Lust auf Widersprüchliches noch auf Pläne und Listen hat. Ein anderes Thema heißt immer noch und immer wieder Vertrauen in mich und die Welt. Ein bisschen paradox und ein bisschen begründet.
Und dann kommt, während ich an der Haltestelle stehe, ein leuchtend pinkfarbener Bus vorbei. Der Barbie-Film hat mich extrem abgeholt und mitgenommen in eine wieder deutlich optimistischere Stimmung. Greta Gerwig hat dabei längst nicht alle Probleme gelöst oder einfache Antworten auf existenzielle Fragen geboten. Für mich war gerade das die Botschaft:
I think I’m just interested in the gleeful messiness of life and people. And I’m interested in women. I don’t know, I like them a lot. And I’m interested in women talking to each other through generations. The unwieldy nature of living life is not something that always has to be organized. It can kind of live in its own wildness.
Greta Gerwig, 2023
Diese heitere Unordnung des Lebens lasse ich jetzt allmählich sacken. Auf jeden Fall sind die Interviews mit dem Cast und der Regisseurin so ungewöhnlich herzerwärmend, dass ich kaum genug davon bekomme.
Auch die Psychologists for Future (Mastodon und Instagram) holen mich sehr ab. Ihr Ansatz geht nicht nur von einer Innenschau aus, die dann schon klären wird, wo die Selbstblockade hakt. Sie beziehen auch die sehr realen äußeren Krisen mit ein, besonders die „Climate Anxiety“. Das macht sie für mich zu Profis mit dem essentiellen Extra.
Am Ende muss ich den Schritt heraus allerdings „einfach“ machen, zum Beispiel in Form dieses Blogartikels. Alle Selbstanalyse und alle Walkingrunden sorgen nicht dafür, dass ich zum Beispiel die Kurzgeschichte für den August schreibe. Ein letzter Punkt, der mir da (wieder mal paradoxerweise) hilft, ist ein Termin. Ich wollte im Juli diesen einen Blogartikel schreiben. Und es genug zu wollen, hat anscheinend gewirkt. Irgendwann wird das auch noch was mit mir und den Zengeschichten 😉 Bis dahin lese ich mir meine Worte zur Gleichzeitigkeit ein paarmal selber durch.
Wie sieht es bei dir aus?
Kennst du dieses Phänomen? Verlieren deine Aktivitäten auch manchmal immer mehr an Schwung, bis du irgendwann auch das nicht mehr machst, was dir eigentlich Spaß macht? Ohne dass jetzt in deinem persönlich Leben an sich große Probleme vorliegen
Wie gehst du damit um? Was hilft dir mit dem Stapel an Krisen da draußen? Gibt es etwas, was es dir zuverlässig ermöglicht, wieder aufzutauchen?
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