Welche Konsequenzen hat es, wenn wir nicht lernen? Vor allem, wenn wir beschließen, dass wir nach der Schule und nach der Berufsausbildung für unser Leben genug gelernt haben?
Ich habe das Lernen und das Vermitteln von Lernfreude zu meinem Beruf gemacht und mir fallen eine Menge Konsequenzen ein. Hier sind sieben davon:
1. Wir werden abgehängt
Unser kollektives Wissen ändert sich ständig. Die Forschung findet neue Fakten heraus, revidiert alte Hypothesen und bringt neue Technologien hervor. Niemand kann das alles auf dem Schirm haben. Und trotzdem halte ich es für eine gute Idee, uns für ein paar Bereiche zu interessieren und immer mal wieder unser Wissen aufzufrischen.
Und sei es nur, um nicht die sprichwörtlichen älteren Menschen zu sein, die auf ihre Enkel angewiesen sind, wenn wieder ein Gerät streikt. (Dabei ist gerade zum Beispiel das Internet ein so gut wie unerschöpflicher Lernort, siehe Punkt 4.)
Jetzt ist es natürlich nicht nötig, dass sich Erwachsene zum Feierabend hinsetzen und zum Beispiel BWL pauken. Gleichzeitig sind sie interessantere Gesprächspartner:innen, wenn sie von Zeit zu Zeit in einem Themenbereich ihrer Wahl neue Erkenntnisse aufsammeln. Und je älter wir werden, umso mehr hilft uns das, am sozialen Leben teilzunehmen.
2. Wir sind schlechte Vorbilder
Kinder beobachten Erwachsene genau. Sie nehmen wahr, ob wir das umsetzen, wozu wir sie ermahnen. Und wenn sie sehen, dass wir nicht lernen, dann hat Lernen für sie weniger Wert.
Ich habe als Lehrerin an verschiedenen Schulen Kinder erlebt, die mir berichteten, dass ihre Eltern auch schon Mathe aufgegeben hätten. Entsprechend unmotiviert waren sie dann in meinem Unterricht.
Andere Kinder erleben, wie ihre Eltern sich lebenslang neues Wissen erarbeiten. Für diese Kinder ist Lernen cool und Neugier auf die Welt eine erstrebenswerte Haltung fürs Leben. Und ich als Lehrerin freue mich über jede lernbegeisterte Person!
3. Wir verpassen eine Menge Spaß
Lernen kann Spaß machen. Wenn wir an einer kniffeligen Sache getüftelt haben und sie endlich verstehen, gibt uns das ein Erfolgserlebnis und eine Portion Dopamin. Mit neuen Kenntnissen steigt auch unsere Selbstwirksamkeit, ein wichtiger Baustein der Zufriedenheit mit unserem Leben.
Wer daran zweifelt, wie glücklich Lernen machen kann, sollte kleine Kinder dabei beobachten, wie sie neue Erkenntnisse sammeln. Für sie ist die Welt spannend und abenteuerlich. Und mit der gleichen Haltung können auch Erwachsene an die Sache heran gehen.
4. Wir verpassen die Chance, Lernen neu zu erfahren
Viele von uns haben in der Schule nicht nur gute Erfahrungen gemacht. Frontalunterricht, Notendruck und das zusätzliche soziale Gerangel unter Jugendlichen können die größte Lernfreude nachhaltig trüben.
Wenn wir selbstbestimmt lernen, sieht der Prozess anders aus. Wir können uns die Inhalte und das Tempo selbst aussuchen, müssen nicht in einer Lerngruppe arbeiten, die nicht zu uns passt und es gibt heutzutage viele interessante technische Möglichkeiten. Natürlich müssen wir kritisch auf die Quellen achten, aber viele Universitäten stellen Vorlesungen kostenlos online. Seiten wie PlanetWissen, Studyflix und StudySmarter bieten Lernvideos zu den verschiedensten Fächern an.
Wer ähnlich tickt wie ich, hat eine große Auswahl an gamifizierten Lernapps zur Verfügung. Da gibt es für richtige Antworten digitales Konfetti und auch mal einen motivierenden Tusch! Wer es eher old-school mag, stöbert stattdessen bei der Volkshochschule durch das Programm oder meldet sich an der nächsten Uni für „Studieren ab 50“ an. Und erfährt dort vielleicht doch noch ganz viel über Archäologie.
5. Wir machen es Populist:innen leicht
Wir Menschen haben unsere Gehirne zur effektiven Nutzung und zum Energiesparen entwickelt. Daher mögen wir tendenziell einfache Antworten, besonders in Krisen und in komplexen Situationen. Genau das nutzen Populist:innen aus, um Emotionen zu erzeugen.
Eine gute Gegenmaßnahme ist Wissen. Wer gut informiert ist über grundsätzliche Zusammenhänge in Naturwissenschaften, Politik und gesellschaftlichen Prozessen, fällt weniger auf plakative Aussagen herein.
Ganz allgemein hilft es uns, in Debatten nicht zu schnell zu reagieren und Dinge kritisch zu hinterfragen. Auch und ganz besonders unsere eigene Meinung und unsere eigenen emotionalen Reaktionen. Und auch dieses kritische Denken können wir aktiv und bewusst trainieren und unterrichten.
6. Unsere Gehirne verschmachten, wenn wir nicht lernen
Das ist vielleicht ein bisschen dramatisch ausgedrückt. Aber unser Gehirn lernt eigentlich ständig und ist meiner Ansicht nach für lebenslanges Lernen ausgelegt. Um es auch im Alter fit und beweglich zu halten, reichen Sudoku und Kreuzworträtsel nicht aus. Nicht umsonst empfehlen auch Krankenkassen, lebensbegleitend immer wieder Sprachen, neue Sportarten oder wissenschaftliche Inhalte zu lernen.
Nebenbei kommen wir so in allen Lebensphasen in Gesellschaft. Wenn wir das denn wollen 😉 Ansonsten bieten sich heutzutage Onlinekurse und Apps an. Wenn wir mit anderen an Kursen teilnehmen verringern wir das Risiko, im Alter einsam zu sein.
7. Wir müssen die Lektionen unfreiwillig durcharbeiten
Auch wenn nicht eindeutig ist, wer es zuerst sagte:
Wer aus den eigenen Erfahrungen und denen anderer Menschen nicht lernen will, wird diese Einheit irgendwann wiederholen.
Im Kleinen sieht das so aus, dass wir so lange wichtige Termine nicht rechtzeitig vorbereiten, bis uns die jedesmal ausbrechende Hektik ausreichend auf die Nerven geht. Denn auch das heißt lernen: Uns mit unserer eigene Persönlichkeit auseinander zu setzen, uns mit ihr anzufreunden und gesündere Verhaltensstrukturen zu etablieren.
Wie es ist, wenn wir im Großen Lektionen wiederholen, können wir gerade in mehreren Ländern auf der politischen Bühne beobachten. Was wir lange nicht für möglich gehalten haben, spielt sich vor unseren Augen ab. Umso wichtiger, dass wir jetzt noch so gut und so zügig es irgend geht, die Erkenntnisse aus dem 20sten Jahrhundert verinnerlichen.
Wie politisch Lernen ist, habe ich hier ausführlicher beschrieben.
Viele gute Gründe für lebenslanges Lernen
Ich bin ein bisschen voreingenommen: Lernen ist für mich eins meiner Lieblingshobbys und ich bin sehr gerne dabei, wenn sich bei meinen Schülerinnen Lernknoten lösen.
Wie viel, was und auf welche Weise wir nach der Schule noch an neuen Informationen aufnehmen, entscheidet jeder und jede selbst. Gleichzeitig hat es Konsequenzen, wenn wir nicht lernen. Ich wünsche mir und der Menschheit, dass sich bei aller Selbstbestimmung die meisten von uns für die Lernfreude entscheiden.
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Übrigens erzählt dir Sabine Landua, was Gesellschaftsspiele mit Mathekompetenzen und Lernfreude zu tun haben.
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