Lernzettel schreiben oder lernen – Wo ist der Unterschied?

Ein handgeschriebener Lernzettel zum Satz des Pythagoras

Viele Schüler:innen nutzen sie. Aber sind sie auch wirklich eine gute Methode zur Prüfungsvorbereitung? In diesem Blogbeitrag erkläre ich, was Lernzettel für uns leisten können und wo ihre Schwachstellen sind.

Was sind Lernzettel?

Mit der Definition geht es schon los. Unter dem Begriff Lernzettel verstehen unterschiedliche Menschen unterschiedliche Dinge. Es kann sich um ein einzelnes Blatt Papier handeln oder um eine mehrseitige Zusammenfassung von Lernstoff. Viele meiner Schüler:innen schreiben inzwischen ihre Lernzettel elektronisch.

Manchmal sehen die Ergebnisse sehr hübsch aus. Es wird liebevoll mit verschiedenfarbigen Textmarkern und Schönschrift gearbeitet. Andere Zettel sind eher nüchtern oder gerade noch leserlich. Grundsätzlich geht es immer darum, Informationen und Lerninhalte kompakt aufzuschreiben, um sie aufzuheben oder sich damit auf Arbeiten, Klausuren oder Prüfungen vorzubereiten.

Es gibt Webseiten, die fertige Lernzettel zum Herunterladen anbieten. Ich kenne natürlich hauptsächlich solche Quellen im Bereich Methematik. Allerdings finden sie sich wohl zu jedem Schul- und Studienfach.

Was bedeutet es, zu lernen?

Wir haben vermutlich alle unsere eigene Vorstellung davon. Der Eintrag im Etymologischen Wörterbuch definiert „lernen“ als:

„sich Kenntnisse, Fähigkeiten, Fertigkeiten aneignen, in der Lehre, in der Schulausbildung sein“

Interessant finde ich dabei, dass das moderne Verb auf das Wort „lais“ zurückgeht. Dessen Bedeutung ist:

„ich bin wissend geworden, habe erfahren, habe nachgespürt“

Das entspricht auch meiner Vorstellung vom Lernen. Es ist ein tiefer gehender Prozess, mit dem wir auf mehreren Ebenen Wissen verankern. Dafür müssen wir Inhalte mehrfach wiederholen, am besten auf eine einigermaßen ansprechende Weise. Wir müssen es zur Überprüfung abrufen und auf möglichst unterschiedliche Arten anwenden.

In einem früheren Blogbeitrag schrieb ich darüber, was Lernen genau bedeutet und was uns dabei hilft. Dass etwas gelernt wurde, merken wir am Wissenszuwachs, an einer Verhaltensänderung, einem tieferen Verständnis und an der erfolgreichen Anwendung der neuen Kenntnisse und Fertigkeiten in neuen Zusammenhängen.

Was ist der Unterschied im Lernen mit Lernzetteln und anderen Methoden?

Lernzettel eignen sich nur begrenzt zum Wiederholen und Überprüfen. Einige meiner Schüler:innen erzählen mir, dass sie ihre Lernzettel immer wieder durchlesen, „bis sie es drauf haben“.

Allerdings rufen sie dabei nicht eigenes verinnerlichtes Wissen wieder ab. Sie wenden auch die Lerninhalte nicht auf neue Fragen an. Beim wiederholten Lesen entsteht der subjektive Eindruck, dass sie etwas wissen, weil sie es schon einmal gesehen haben. Das ist allerdings kein Wissen, sondern Wiedererkennen.

Andere berichten, dass sie zum gleichen Thema mehrfach hintereinander Lernzettel schreiben. In diesem Fall haben sie natürlich einen Wiederholungseffekt. Unser Gehirn speichert im Schreibprozess tatsächlich auch Inhalte messbar ab.

Wer sich auf Arbeiten oder Prüfungen vorbereiten will, hat allerdings deutlich mehr und abwechslungsreichere Methoden zur Verfügung. Vor kurzem bloggte ich über Tools und Ressourcen zur Prüfungsvorbereitung. Quizze testen zum Beispiel, ob das Gelernte wirklich abgerufen werden kann. Einige dieser Tools sind sogar unterhaltsam gestaltet.

Wer möglichst unterschiedliche Aufgaben durcharbeitet, hat keinen reinen Wiedererkennungseffekt mehr, sondern wendet das gelernte Wissen an. Und ist damit viel besser auf eine Prüfungssituation vorbereitet. Ideal sind hier natürlich Aufgaben, bei denen die Lösung zur Selbstkontrolle gegeben ist.

Was wirklich so gut wie gar nichts bringt, sind fertige Lernzettel, wenn sie einfach nur herunter geladen und in einem Ordner abgelegt werden. Was ich nicht selbst zusammengefasst und geschrieben habe, wird kaum nachhaltig in meinem Gehirn verankert.

Wann sind Lernzettel angebracht und wann ist es sinnvoll, anders zu lernen?

Lernzettel helfen, sich einen systematischen Überblick zu verschaffen. Als ein Baustein in einer größeren Lernstrategie fassen sie die Inhalte dabei in überschaubaren Portionen zusammen. Das ist besonders für die mentale Prüfungsvorbereitung hilfreich. Wenn ich einen Stapel Bücher in ein paar Seiten Papier verwandelt habe, wirkt die Sache nicht mehr so überwältigend.

Auch das Schreiben an sich verstärkt wie gesagt Lerneffekte. Und eine Sammlung von leserlichen Zusammenfassungen aus der Mittelstufe zahlt sich spätestens in der Oberstufe als Basis für die Abiturvorbereitung aus.

Unterrichtsnotizen und Lehrbücher in Mindmaps oder Tabellen zusammenzufassen, geht oft schneller als Wissen immer wieder abzufragen oder komplexe Aufgaben zu lösen. Wenn wenig Zeit ist, sind Lernzettel also besser als nichts.

Auch fertige Lernzettel können hier helfen, Zeit zu sparen. Allerdings nur, wenn sie die Grundlage für andere Lernmethoden sind. Werden sie nur abgespeichert, sind sie eher ein Problem, denn so kann ein scheinbarer Eindruck der Sicherheit entstehen.

In meinem Beitrag über die Stolperfallen bei der Prüfungsvorbereitung war „Aufschieben“ nicht ohne Grund die Nummer 1. Wer früh anfängt, kann mehrere Lernmethoden, Ressourcen und Tools wie zum Beispiel Flash Cards, gegenseitiges Abfragen und Klapptests kombinieren. Und so die eigene Sicherheit in Arbeiten, Klausuren und Prüfungen deutlich erhöhen.

Fazit: Warum ich dir andere Lernmethoden als (nur) Lernzettel empfehle!

Aus meiner Erfahrung heraus habe ich eine klare Empfehlung. Verlasse dich nicht alleine auf Lernzettel, und wenn du sie nutzt, dann schreibe sie selbst. Am besten mehrfach.

Es ist sehr frustrierend, Zeit und Energie in Lernstrategien zu investieren, wenn wir in der Prüfungssituation feststellen, dass wir das Gelernte gar nicht flexibel anwenden können. Wenn du deine Vorbereitungszeit effektiv nutzen möchtest, verteile sie auf möglichst unterschiedliche Strategien und Tools.

Lernzettel an sich sind also nicht verkehrt, allerdings auch nicht die solide Brücke zum Prüfungserfolg, die manche von uns darin sehen.

Was meinst du?

Hast du Erfahrungen mit Lernzetteln gemacht? Hast du eventuell sogar eine Sammlung mit Schönschriftblättern inclusive mehrfarbigen Textmarkierungen?

Hat dir so eine Sammlung schon einmal geholfen, durch eine Arbeit oder Prüfung zu kommen? Oder hast du eher ganz andere Lern- und Übungsstrategien?


Dir hat dieser Beitrag gefallen? Auf meinem Blog findest du noch mehr Beiträge zu den Themen Lernen und Prüfungsvorbereitung.

Fediverse reactions

Kurzzeitig Forscherin in der Chemie, danach Lehrerin an Schulen in Schleswig-Holstein, jetzt als Nachhilfelehrerin selbstständig. Nach einer Rundreise durch die Stationen Ostwestfalen, Niedersachen, England, Potsdam und Dithmarschen bin ich wieder zurück im Kreis Pinneberg, wo alles begann.

Interessiert an meinen Mitmenschen und dem Wohl des Planeten, Sprachen, Mathematik, Naturwissenschaften und allgemein am Lernen an sich. Du willst mehr wissen? Lies meine NowPage oder meine Über-Mich-Seite.


Kommentare

6 Antworten zu „Lernzettel schreiben oder lernen – Wo ist der Unterschied?“

  1. Ich gestehe – als ich in der Schulzeit solche Zettel anfertigte, dann als Spickzettel. Ich war darin gut, nicht zuletzt, weil wir einen Kopierer besaßen, mit dem man auch kleiner kopieren konnte. Darauf landeten dann auf einem Zettel in Briefmarkengröße für mich schwer zu merkende Dinge wie Formeln (das Verwenden von Formelsammlungen war, wenn ich mich recht entsinne, erst in der Oberstufe erlaubt), Vokabeln und Jahreszahlen.

    Da ich viel Zeit und Mühe in meine Spickzettel steckte, habe ich mir natürlich auch das meiste, was darauf stand, gemerkt, und brauchte sie dann nicht mehr.

    Ich war die ganze Schulzeit über sehr effizienzorientiert… zumindest in dem Großteil der Fächer, die mich bzw., deren Darbietung in der Schule mich nicht sonderlich interessierten.

    1. „Darbietung“ ist auch ein schönes Wort dafür 😉 Hast du diese Spickzettel dann für den jeweiligen Zusammenhang nur einmal schreiben müssen, um den Stoff drauf zu haben? In meiner Beobachtung entwickelt sich wie gesagt gerne so eine Scheinsicherheit, die dazu verleitet, die restliche freie Zeit mit anderen Dingen zu verbringen und in der Arbeit zu merken, dass doch wenig an Wissen wirklich zur Verfügung steht. Daher auch dieser Beitrag 😀
      Liebe Grüße
      Angela

      1. Das weiß ich nicht mehr, wie viele Runden ich bis zum fertigen Zettel brauchte und wie gut ich das dann drauf hatte, was da stand :-).

  2. […] Lernzettel schreiben oder lernen – Wo ist der Unterschied? […]

  3. Liebe Angela,
    vielen lieben Dank für deinen Blogartikel. ich beschäftige mich schon länger damit wir ich besser lernen kann und probiere vieles aus.
    in meiner Schulzeit habe ich mir Lernzettel geschrieben um den Lerninhalt optisch zu minimieren. Dann habe ich mir markante Wörter markiert die ich auswendig gelernt habe. Natürlich musste ich den Inhalt verstanden haben. Anschließend habe ich mir mit geschlossenen Augen anhand der wenigen Wörter den kompletten Text/Inhalt im Ganzen vorgetragen und habe gemerkt wo es noch hackte. So richtig lernen habe ich aber erst in meiner Physiotherapie Ausbildung. Schade das das Schulsystem keine Lernmethoden unterrichtet.

    viele liebe Grüße
    Sandra

    1. Liebe Sandra,
      das ist wirklich ein Problem. Es ist im Schulalltag oft einfach auch zu wenig Zeit. Andererseits würde es einiges vereinfachen und letztlich Zeit sparen, wenn systematisch ordentliche Lernmethoden vermittelt würden. Die Schule, an der ich zuletzt arbeitete, hat sogar regelmäßig sogenannte Methodentage veranstaltet, an denen wir genau das gemacht haben. Aber es ist im Bildungssystem nicht grundsätzlich vorgesehen. Da ist viel Eigeninitiative gefragt und vielen ist auch nicht klar, wie sehr sie sich damit das Leben erleichtern können.
      Liebe Grüße und danke!
      Angela

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