Das Thema „künstliche Intelligenz“ scheint mich immer hartnäckiger zu verfolgen. Statt der gewohnten blauen Pillen versuchen jetzt Menschen (mit sehr lieblos zusammen geschusterten E-Mails) mir alle möglichen AI-Dienste anzudrehen, von der Gestaltung meiner Webseite bis hin zum Beantworten meiner Telephonanrufe. In der Blogosphäre gehören KI-Bilder schon länger zum Grundrauschen, inzwischen fallen mir zunehmend offensichtlich künstlich geschriebene Blogartikel auf.
Künstliche Intelligenz und der Gruselgraben
Neben der Kritik am Energie- und Wasserbedarf gehen mir solche Texte und Bilder auch einfach persönlich und ästhetisch extrem schräg runter. Sie erzeugen meistens einen gruseligen „Uncanny-Valley-Effekt„. Vielleicht kennst du das ja auch aus animierten Filmen: Wenn unsere Gehirne etwas wahrnehmen, das unter 100% menschenähnlich ist, aber zu ähnlich, um beruhigend als „etwas Anderes“ kategorisiert werden zu können, empfinden wir das als unangenehm.
Mir geht das auch mit Texten so. Künstliche Inteligenz hat ja kein Bewusstsein, das wie wir Sätze als Ganzes formuliert. Stattdessen reihen diese Sprachmodelle Wörter nach berechneten Wahrscheinlichkeiten aneinander. Und damit sind die Formulierungen automatisch genau in dem Überlapp von „zu echt“ und „nicht echt genug“. Das Ergebnis ist nicht, wie vermutlich von der Person gehofft, die mit KI bloggt, dass ich mich informiert fühle. Sondern es erzeugt immer ein kleines bisschen Gänsehaut.
Mal ganz abgesehen von den Menschen, die sich auf eigene Faust von KI therapieren lassen. Oder denen, die ihnen einen quasi-religiösen Kultstatus geben.
Künstliche Intelligenz und die Belanglosigkeit
Evan Edinger fasst es sehr unterhaltsam zusammen. In seinem Video „I Can Spot AI Writing Instantly — Here’s How You Can Too“ stellt er ein paar Punkte auf, die mit sehr großer Wahrscheinlichkeit KI vermuten lassen. Die englische Abteilung von Wikipedia hat eine ausführliche Ratgeberseite zusammengestellt, die sich grundsätzlich auf Wikipediaartikel bezieht. Allerdings helfen viele der angesprochenen Merkmale, auch in anderen Texten die KI zu entdecken.
Unpersönliche, aber dafür überbetonte Komplimente, ein großzügiger Gebrauch von Aufzählungslisten, seltsam ungebräuchliche Formulierungen, ein insgesamt sehr generischer Eindruck. Nicht anecken, schön die Leser:innen mit vagen und gleichzeitig positiven Begriffen abholen. Daneben rundherum mit dem nötigen Fachjargon einen eloquenten Eindruck machen. Und das mit wenigen Prompts und Klicks!
Für mich hinterlassen solche Texte einen Effekt wie verbale Zuckerwatte. Am Ende bleibt wenig zurück bis auf ein leises Gruselgefühl. Außerdem der unerfreuliche Verdacht, dass ich in das Lesen mehr Zeit und Energie investiert habe, als die Person, die das alles gepromptet hat.
Aufmerksamkeitsökonomie und die KI-Flut
Warum geht die AI-Welle überhaupt so durch die Decke? Ich gehe davon aus, dass es so ist wie mit den meisten Blasen: „Alle“ machen mit, weil „Alle“ mitmachen. Da scheint viel Geld drin zu stecken und ohne Aufwand viel Aufmerksamkeit zu holen zu sein.
Und so inspirieren sich die Teilnehmenden gegenseitig. Sie eint die Hoffnung, vielleicht doch noch das tausendundeinste erfolgreiche KI-Unternehmen zu gründen und groß durchzustarten. Und der netten Nachhilfelehrerin von nebenan erzählen sie, die Eltern ihrer Schüler:innen würden sich sicher super gerne mit einer Wahrscheinlichkeitsmaschine unterhalten.
Für mich geht dabei der Sinn der Kommunikation verloren. Ich blogge hier ja sowieso erstmal für mich und hoffe dann, dass es darüber hinaus noch jemanden interessiert. Aber wenn ich merke, ich habe auf einen Link mit einer interessanten Überschrift geklickt, und dann kommt ein Fachbegriffesalat mit eingestreuten Stimmungsphrasen und Listicles, dann ist die Botschaft für mich:
Hallo! Du warst mir nicht genug Liebe wert, dass ich einen Blogartikel selber schreibe. Hier bitte, lies das mal schnell durch und steigere dadurch meine Klickstatistik, damit ich dann möglichst reichlich Werbung schalten kann.
Vor allem, wenn ich sehe, dass Menschen Texte in einer Länge und Frequenz herausgeben, die eigentlich an einem normalen Tag mit 24 Stunden und 8 Stunden Schlaf nicht machbar sind. Gut, auf manchen Blogs fällt der KI-Einfluss nicht ganz so drastisch auf. Und doch: Auf mich wirkt es zunehmend so, als würden auf einem lauten Marktplatz immer mehr Menschen mit immer fadenscheinigeren KI-Gebilden wedeln. Dabei rufen sie sich immer lauter gegenseitig zu: „Hey, sieh mich mal an! Hallo! Ich mach das hier für die Sichtbarkeit, also nimm mich bitte wahr!“
Denn wenn es im Grunde nur um die Klicks geht, sind der Inhalt und auch die Zielgruppe beliebig austauschbar. Dann kann ich über Hundefellpflege schreiben oder über Zeppeline oder über mundgeblasene Sanduhren. Hauptsache, ich komme mir sichtbar vor. Für mich persönlich fühlt sich das sehr leer an. Und als Leserin ist das keine Begegnung mit einem anderen Menschen im Netz., sondern irgendwie leblos.
Besonders traurig finde ich das im allgemeinen Bereich „Persönlichkeitsberatung“. Widersprüchlicher kann es kaum noch werden.
Was andere Personen für unterschiedliche Zukunftsszenarien erwarten, zeigt dieser Zeit-Artikel. Ich wusste beim Lesen nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Interessanterweise sagen sogar CEOs von KI-Unternehmen, dass sie manche Eigenschaften ihrer eigenen Produkte nicht verstehen.
Wie gehe ich mit der Situation um?
Ganz auffällige Blogs sehen mich nur einmal. Meine Lebenszeit ist begrenzt und die investiere ich lieber in Menschen, die persönlich schreiben. Die auch mal Fehler machen und eventuell auch mal anderer Meinung sind als ich. Ganz ohne Reibung lernen wir wenig.
Für meine eigene Sichtbarkeit mache ich mir wenig Sorgen. Ich möchte gar nicht in Konkurrenz treten mit ChatGPT und seinen Kollegen. Bei mir gibt es dann eben weniger und kürzere Beiträge. Dafür garantiere ich, dass hier an diesem Ende eine echte Person sitzt mit einem echten Interesse am Austausch mit denen, die meine Posts lesen.
Daher an dieser Stelle: Danke an alle, die bisher meine Artikel gelesen und teils sogar kommentiert haben! Das bedeutet mir eine Menge, trotz des Mottos „Blog like nobody’s reading!“
Und genau deswegen ist es mir umso mehr ein Anliegen und selbstverständlich, weiter zu bloggen. Denn ich sehe außerdem noch ganz viele andere Menschen mit Blogs, bei denen ihre Persönlichkeit mit allen Facetten und Ecken und Kanten durchschimmert. Solange es diese wilde und bunte Blogosphäre gibt, sehe auch ich keinen Anlass, hier meine Zelte abzubrechen.
Und irgendwann, wer weiß, platzt diese Blase. Dann bekomme ich statt Werbung für künstliche Intelligenz wieder Spam von Leuten, die mir blaue Tabletten andrehen wollen. Freue mich schon drauf.
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