Am 8. Oktober 25 fand eine Abstimmung im EU-Parlament statt. Wenn jetzt auch noch die Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten dafür stimmt, dürfen Veggie Schnitzel und vegane Würstchen nicht mehr unter diesen Bezeichnungen vermarktet werden, ähnlich wie die Bezeichnungen Milch und Käse für pflanzliche Produkte verboten wurden.
Natürlich darf ich privat meine Mahlzeiten noch genauso nennen wie vorher. Trotzdem ist dieser lang anhaltende Streit bemerkenswert. Wenn auch nicht aus den Gründen, die nur auf den ersten Blick bedeutsam erscheinen.
Geht es überhaupt um die vegane Wurst?
Für Friedrich Merz scheint die Sache klar. In einem Interview mit Caren Miosga sagte er in diesem Zusammenhang:
„Eine Wurst ist eine Wurst. Wurst ist nicht vegan“
Als er das sagt, muss er selber lachen. Was ist das auch für ein Argument? Diese Aussage ist eher seine persönliche Meinung als eine hilfreiche Information, die die neue rechtliche Entwicklung plausibel erklärt..
Insgesamt ist das Thema sehr emotional besetzt. Es werden deutlich mehr Befindlichkeiten ausgetauscht als wirklich sachliche Argumente. Und das sollte uns nachdenklich machen. Vor fast einem Jahr schon schrieb ich einen Blogartikel über polarisierende Fragen.
Und an meiner Grundaussage hat sich nichts geändert: Diese Art Fragen soll nicht wichtige Probleme klären, sondern nach dem Motto „Teile und herrsche“ die Bevölkerung beschäftigen. Und viele von uns springen immer noch über die Stöckchen, ob sie nun Tempolimit, Genderstern oder Lastenrad heißen.
Wem nützt das Sprachverbot?
Ziel der neuen Gesetzgebung ist nicht, dass diese Produkte nicht mehr existieren. Es geht um ein reines Sprachverbot. Begriffe sollen nicht mehr verwendet werden dürfen. Dass irgendwann vegane Würstchen oder die Formen als solche verboten werden, halte ich für mehr als unrealistisch.
Die Initiative hinter dem Verbot behauptet selbst, mehr Transparenz für Verbraucher:innen schaffen zu wollen. Allerdings widerspricht sogar eine Stellungnahme der Verbraucherzentrale Bundesverband dieser Behauptung. Aus einer Umfrage von 2022 ergab sich, dass Klarheit dadurch entsteht, dass auf einem pflanzlichen Produkt eindeutig steht, dass es vegan oder vegetarisch ist und der Produktname einen Bezug zum nichtpflanzlichen Vorbild hat.
Nicht einmal das landwirtschaftliche Magazin agrarheute rechnet damit, dass das künftige Sprachverbot mehr als ein „bürokratischer Sieg“ sein wird. Oder dass Menschen deswegen in Zukunft weniger pflanzliche Produkte konsumieren werden.
Die Formulierung „Sieg“ deutet es schon an: Oberflächlich betrachet hoffen Fleischproduzenten zu profitieren. Die vom Sprachverbot betroffenen Betriebe werden Zeit und Kapital in Namensänderungen investieren müssen. Und ein paar Verbraucher:innen lassen sich vielleicht von Phatasienamen wie „Veganrolle“ oder guten alten Bezeichnungen wie „Veggie-Bratling“ abschrecken.
Auch die Organisation Foodwatch sieht die Entscheidung des EU-Parlamentes als Geschenk an eine Industriesparte:
„Unter dem Vorwand des Verbraucherschutzes will die EU vertraute Begriffe wie Tofuwürstchen oder Seitanschnitzel verbieten – das ist nicht Verbraucherschutz, das ist Lobbyismus im Dienste der Fleischindustrie“
Dr. Chris Methmann, Geschäftsführer von foodwatch Deutschland
Scheindebatten sind das Problem
Bis auf die Umstellungskosten für die betroffenen Firmen wird sich also sehr wahrscheinlich nur wenig ändern. Die einen werden weiter vegane Würstchen essen, die anderen nicht. Es wird weiterhin Energie und Zeit in genauso fruchtlose wie endlose Debatten um die Sinnhaftigkeit verschiedener Lebensentwürfe geben.
Und genau diese Scheindebatten sind der größte Haken an diesem neuen Sprachverbot. Uns brechen an mehreren Ecken und Enden die Lebensgrundlagen weg. Der Wohlstand ist immer ungleicher verteilt. Mit der KI-Blase drehen wir den Durchsatz von Wasser und elektrischer Energie erst so richtig auf.
Aber wir lassen uns vom Streit um das vegane Würstchen ablenken. Und die politischen Profiteure bauen ein Land nach dem anderen in Autokratien um. Ich kann nicht in Worte fassen, wie sehr mich das frustriert.
Was können wir tun?
Das Beste gegen solche Nebelkerzen ist eine möglichst gut informierte Bevölkerung. Die unabhängigen Organisationen FragDenStaat und LobbyControl machen den Einfluss von Lobbygruppen auf unsere Parlamente transparent. Ihnen zu folgen, ihre Informationen zu teilen und sie zu unterstützen ist ein erster guter Schritt.
Der zweite Schritt wäre es, in den immer wiederkehrenden Scheindebatten so oft und so nachdrücklich wie möglich auf die Meta-Ebene zu wechseln. Unsere Energie und Zeit dort nicht zu verpulvern, sondern an Ort und Stelle darauf hinzuweisen, wem wir da gerade auf den Leim zu gehen drohen.
Es sind also weder das vegane Würstchen noch das Sprachverbot an sich das Problem, sondern die politische Manipulationsstrategie dahinter.
Frustrieren dich diese Nebelkerzen und Scheindebatten auch so sehr? Welche Ideen hast du noch, um ihnen entgegen zu treten?
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