Linear oder gestreamt – Freiheit trifft auf Unterhaltung

Ein Flachbildfernseher in einem Wohnzimmer als Symbolbild für die Frage: Linear oder gestreamt?

Immer am Dritten eines Monats gibt es ein neues Thema für die Blogparade . Im November 2025 wollen Erik und Jürgen wissen, wie wir fernsehen, linear oder gestreamt. Wieder mal eine Frage, zu der mir eine Menge einfällt.

Linear oder gestreamt – Kurzgefasst

kleiner türkiser Cartoonvogel
  • Feste Sendezeiten nervten mich schon als Kind.
  • Heute genieße ich das vielfältige Angebot zum Streamen.
  • Der ARD-Vorsitzende persönlich erklärt Nachteile am linearen Sendekonzept.
  • Streaming wirkt sich auf das Klima aus.

Linear festgebunden

Ich wurde 1973 geboren. Immerhin hatten wir zunächst vier Sender: ARD, ZDF, WDR3 und NDR3. Eigentlich war Fernsehen damals ein schönes Ritual: Jeden Nachmittag kamen die gewohnten Serien, die wir um die Hausaufgaben und andere Aktivitäten herum drapierten. Mittags gab es den Videotext mit Dudelmusik und nachts rauschte das Fernsehen (YouTube-Video).

Auf der anderen Seite hat mich als Kind das lineare Fernsehen oft genervt. Als die letzte Folge Pinocchio lief, mein Vater aber unbedingt zum Familienspaziergang aufbrechen musste. Oder als meine Schwester beim Einkaufen fast geplatzt wäre, weil ihr aufging, dass sie gerade „Die Sklavin Isaura“ verpasste. Oder wenn im Wohnzimmer gar nichts ging, weil mein Bruder seinen RTL-Samstag zelebrierte.

In meiner Londonzeit lernte ich die BBC zu schätzen. Mein Mann und ich nahmen ziemlich jeden Tag eine oder zwei Serienfolgen mit dem Videorecorder auf, die wir uns dann abends ansahen. Als DVDs aufkamen, hatten wir plötzlich noch viel mehr Freiheit für Serienmarathons. Trotzdem haben wir auch dann und wann „normal“ ferngesehen, in Brunsbüttel über Kabel und später in Halstenbek wieder über Antenne.

Mit der Standardumstellung sind wir raus

Als auf DVB-T2 umgestellt wurde, zogen wir Bilanz. Unser alter Fernseher funktionierte noch einwandfrei, konnte aber mit dem neuen Signalstandard nichts anfangen. Wir hatten schon einen Fire-TV-Stick und nutzten ansonsten den Fernseher hauptsächlich für DVDs. Daher haben wir uns keinen Receiver oder gar einen neuen Fernseher angeschafft.

Mit dem Stick haben wir Zugriff auf diverse Sender. Für uns reichen die vollständig aus, denn darüber hinaus stehen ja noch die verschiedenen Streaming Dienste zur Verfügung. Der Stick ist noch das ältere Modell, bei dem wir für Alexa einen extra Knopf drücken müssen, damit sie merkt, dass wir etwas von ihr wollen. Und wenn wir die Steckerleiste ausschalten, hat sie überhaupt keinen Strom mehr. Wir sind einfach nicht so wild darauf, belauscht zu werden.

Seit der Signalumstellung sehen wir kaum noch linear fern. Hauptsächlich schalten wir manchmal abends Nachrichten ein, entweder in der ARD oder auf 3Sat. Bei letzterem sparen wir uns im Vergleich zum ZDF die Werbung für Gebissreiniger und für Tablettenfür den Bereich der Verdauungsprobleme.

Wir abonnieren keinen Streamingdienst auf Dauer. Stattdessen warten wir jeweils, bis eine interessante Serie komplett hochgeladen ist, bingen die dann und gucken nach und nach alles andere an, was sich sonst noch für eine Watchliste eignet. Danach ist meist die Konkurrenz wieder mit ihrem Angebot soweit, dass wir sie für ein paar Monate abonnieren. Ich mag diese Flexibilität und Unabhängigkeit sehr.

Über das Thema Selbstbestimmung habe ich auf meinem Blog schon geschrieben, und selbst wenn es etwas hoch gehängt klingt: Auch die Frage, was ich wann sehe, fällt für mich darunter. Und wenn wir uns dafür entscheiden, einen Abend mit YouTube-Videos über die US-Politik zu verbringen, dann ist das so.

Auch das ist eine Art Ritual: Am Montag wird John Oliver gestreamt, am Dienstag die Daily-Show-Folge mit Jon Stewart und ansonsten Stephen Colbert, solange es seine Late Show noch gibt.

Gestreamtes von den Öffentlich-Rechtlichen

„Linear oder gestreamt“ ist nicht einmal eine Frage der Anbieter. Denn auch die Mediatheken von ARD und ZDF nutzen wir regelmäßig, unter anderem für Satireshows, Dokus und Filme. Zum Beispiel die Sörensen-Krimis und die faszinierende, aber auch frustrierende Serie „Die Affäre Cum-Ex„.

Diese Angebote unterstützen wir sowieso mit unseren Gebühren. Und das ist aus meiner Sicht auch sinnvoll. Zudem sind die öffentlich-rechtlichen Mediatheken großzügig befüllt mit einer mehr als abwechslungsreichen Auswahl an Videos und Audiodateien unterschiedlicher Längen. Dazu gehören auch Filme in Originalfassungen, die wir sehr gerne ansehen.

Und die Nachfrage in Form von Klicks entscheidet in den Planungsgremien darüber, welches Format weiter unterstützt wird. Das habe ich im Podcast „Talk ohne Gast“ von Moritz Neumeier erfahren, einem ausdrücklichen Fan der Öffentlich-Rechtlichen. Er hat eine Comedy-Reihe, für die er immer wieder dazu aufruft, sie möglichst bald nach dem Erscheinen in der Mediathek anzusehen statt auf YouTube. Denn die YouTube-Klicks gehen nicht in die Entscheidung für eine weitere Förderung mit ein.

Einen Haken haben die Mediatheken von ARD und ZDF allerdings: Entsprechend der Depublizierungspflicht müssen Beiträge nach festgelegten Zeiträumen wieder offline genommen werden. Manche Nachrichten verschwinden so schon nach sieben Tagen wieder.

Was sagt der Vorsitzende der ARD?

Gerade in der letzten Folge des erwähnten Podcasts ging es um die Zukunft der Frage „Linear oder gestreamt?“ Ausnahmsweise gab es doch einen Gast, und zwar Florian Hager, den aktuellen ARD-Vorsitzenden. Neben der Tatsache, dass jüngere Generationen eher kurze Formate auf TikTok konsumieren, das traditionelle Fernsehverhalten also ein Auslaufmodell ist, erklärte Hager einen entscheidenden Nachteil der linearen Programme:

„Früher war es ja klar, wenn du eine Doku machst, muss die 45 Minuten lang sein, weil der Sendeplatz 45 Minuten ist. Wenn’s eigentlich viel geiler gewesen wäre, 80 Minuten zu erzählen: Geht nicht, musst du alles kürzen. Und wenn’s einfach nicht so richtig ist: Musste halt strecken auf 45 Minuten. Und das siehst du den Inhalten an.“

Florian Hager in Talk ohne Gast vom 6.11.2025

Unter dem Prinzip „Sendeplatz“ leidet also eventuell die Qualität. Siehe meinen Kommentar zur letzten Folge von „Bosettis Late Night“, die extrem davon profitiert hätte, wäre sie länger gewesen. Dann hätte das sehr spannende Gespräch gründlicher ausdiskutiert werden können. In mancher Beziehung bringt es wirklich Vorteile, alte Vorstellungen zu überdenken.

Der Klimaeinfluss gestreamter Sendungen

Gestreamte Inhalte werden für alle Nutzer:innen individuell bereit gestellt. Das erfordert in den Rechenzentren mehr Energieeinsatz als ein zentrles lineares Angebot. Daher verursacht es auch unter Umständen mehr CO2-Emissionen. Hier würde es helfen, wenn die Streamingplattformen auf reinen Ökostrom setzten. Wenn du möglichst klimaschonend streamen willst, hat Utopia ein paar Tipps.

Unterm Strich ist die Geschichte komplex. Aber hier sind die Punkte, die ich beherzige:

  • Inhalte nicht einfach im Hintergrund unbeachtet streamen
  • Nicht die höchste Bildqualität wählen
  • Was mich doch nicht interessiert, ausschalten
  • Über WLAN streamen

Linear oder gestreamt? Selbstbestimmung!

Die Zeiten der vier Programme sind zum Glück vorbei. Und gleichzeitig ist das Überangebot an Informationen und Unterhaltung auch nicht immer hilfreich. Für unsere mentale Gesundheit und auch unseren Einfluss auf die Klimakrise lohnt es sich, bewusst fernzusehen, statt sich berieseln zu lassen.

Von der Entwicklung hin zu individuellerem Konsum kann allerdings die Qualität der Inhalte profitieren. Und vielleicht finde ich ja bei Gelegenheit noch irgendwo die letzte Pinocchio-Folge.


Wie sieht es bei dir aus?

Siehst du lieber linear oder gestreamt fern? Oder siehst du überhaupt nicht fern? Was sind für dich dabei die bedeutendsten Beweggründe?

Fediverse reactions

Kurzzeitig Forscherin in der Chemie, danach Lehrerin an Schulen in Schleswig-Holstein, jetzt als Nachhilfelehrerin selbstständig. Nach einer Rundreise durch die Stationen Ostwestfalen, Niedersachen, England, Potsdam und Dithmarschen bin ich wieder zurück im Kreis Pinneberg, wo alles begann.

Interessiert an meinen Mitmenschen und dem Wohl des Planeten, Sprachen, Mathematik, Naturwissenschaften und allgemein am Lernen an sich. Du willst mehr wissen? Lies meine NowPage oder meine Über-Mich-Seite.


Kommentare

2 Antworten zu „Linear oder gestreamt – Freiheit trifft auf Unterhaltung“

  1. Ach guck, noch jemand, der mit der Umstellung auf DVB-T2 das lineare Fernsehen hinter sich gelassen hat.
    Meine Geschichte dazu ist nahezu identisch wie deine, bis auf das, dass ich auch gleich das alte Fernsehgerät abgeschafft habe und lieber per Smartphone oder Tablet meine Filme oder Serien gucke.

    LG
    Martha

    1. Ja, wir vermissen da überhaupt nichts und es gab keine einzige Sendung, für die wir hätten nachdenken müssen, ob wir uns einen Receiver zulegen. Danke fürs Lesen und den Kommentar!
      Liebe Grüße
      Angela

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