Was (drohende) Abmahnungen bewirken

graue Kachel mit einem türkisen Paragraphenzeichen und einem Emoji, bei dem der Mund eine horizontale Linie ist

Ich halte mich an Regeln und Gesetze. In den meisten Fällen sehe ich den Sinn dahinter ein und halte es für richtig, dass wir uns alle so verhalten, dass es der Allgemeinheit gut tut. Gleichzeitig ist das ganze Thema trotzdem stressig für mich. Angedrohte Abmahnungen bewirken bei mir eine dauernde unterschwellige Unsicherheit, ob ich nicht doch eventuell etwas falsch mache und mit einem Bein im Gefängnis stehe oder mir hohe Bußgelder drohen.

Rational betrachtet ist das vielleicht übertrieben. Trotzdem sehe ich mich hier in einem Machtgefälle deutlich unterlegen. Statt mich darauf zu konzentrieren, meine Schüler:innen zu unterstützen, hängt ein Teil meines Bewusstseins daran, ob mich nicht demächst irgendwer anschreibt, weil auf meiner Webseite eine falsche Formulierung steht.

Braucht meine Onlinenachhilfe eine Zulassung?

Am 2. August erschien dieser Post in meinem Mastodon-Feed. Er war der eigentliche Anlass für mich, mich mal gründlicher mit meinem Verhältnis zu Abmahnungen zu befassen.

Alter, was für eine Bombe.

Alles, was über Zoom unterrichtet wird fällt immer und überall unter das Fernunterrichtsschutzgesetz und braucht für jeden Kurs eine Einzelzulassung sonst Vertrag nichtig und Strafe. Keine Bagatellgrenze, keine Ausnahmen für B2B.

mastodon.cloud/@ramichaelseidl

Wenn ihr also in irgendeiner Form Onlineschulung oder -Coaching anbietet, das ist jetzt erst mal vorbei.

2. August 2025, 08:04 158 Boosts 124 Favoriten

Gerade mit Gesetzen und Verordnungen bin ich leicht einzuschüchtern. Ich lese Rechtstexte äußerst ungern und mache mir schnell Sorgen, dass ich da etwas übersehen haben könnte. Und meine erste Reaktion auf diese Nachricht war, die Hinweise auf Online-Nachhilfe von meiner Seite zu nehmen.

Im Anschluss verbrachte ich Stunden damit, mich durch verschiedene Meinungen zum BGH-Urteil über Online-Kurse zu wühlen. Am Ende landete ich auf der Fragen-und-Antwortenseite der Zentralstelle für Fernunterricht. Dort steht:

„Online-Seminare sind nicht zulassungspflichtig, da sie synchron in Echtzeit stattfinden und keine räumliche Trennung zwischen Lehrenden und Lernenden im Sinne des FernUSG besteht. Werden die synchronen Maßnahmen jedoch den Teilnehmenden als Aufzeichnung zur Verfügung gestellt, werden diese dem asynchronen Lernen zugeordnet.“

Eine Zulassung hätte erst einmal signifikante Kosten bedeutet. Davon abgesehen hätte ich „Lehrmaterial“ einreichen und absegnen lassen müssen. Allerdings ist jede meiner Nachhilfestunden ein Unikat und ergibt sich immer aus der Situation heraus. Ich gebe keine Kurse, sondern unterstütze genau dort, wo dies:e Schüler:in es mit diesem Thema in diesem Moment braucht.

Meine Onlinestunden sind tatsächlich nach der offiziellen Definition rein synchron. Aber die Formulierung

„Alles, was über Zoom unterrichtet wird fällt immer und überall unter das Fernunterrichtsschutzgesetz und braucht für jeden Kurs eine Einzelzulassung sonst Vertrag nichtig und Strafe“

hatte mich zunächst dermaßen verunsichert, dass ich zeitweise beschloss, dann eben einfach gar keine Online-Nachhilfe mehr anzubieten. Zur Sicherheit.

Wirkung auf mich in der Vergangenheit

Ich habe ein Kleinunternehmen ohne Angestellte. Erst recht beschäftige ich keine Rechtsabteilung. Und leider bin ich auch nicht, wie andere Menschen in meinem Umfeld, ganz zufällig mit einer Anwältin befreundet. Auch wenn es für mich einige Ausnahmen gibt, es bleibt auch so noch eine Menge Rechtskram übrig, den ich immer wieder abarbeiten muss.

Zwischenzeitlich hatte ich ganz vergessen, warum ich so eine lange Blogpause hatte. Jetzt wurde es mir wieder klar: Als die Impressumspflicht und damit die drohenden Abmahnungen im Raum standen, wurde es mir emotional zu viel und zu unsicher. Da habe ich mich also von dieser neuen Rechtsnorm aus dem Bloggen drängen lassen.

An dieser Stelle zitiere ich gerne Judith Peters:

„Und ja, die Impressumspflicht ist absolut schräg. Das kann sich nur ein Mann ausgedacht haben, der null daran denkt, wie Frauen im Internet belästigt werden. So viele Frauen haben Angst, ihre Adresse ins Netz zu stellen – zu Recht! Und dann müssen sie extra zahlen, um sich zu schützen, denn sonst könnten sie abgemahnt werden. Kriminelle (und leider auch manche Männer) lachen sich derweil tot, haben kein Impressum oder faken eines und werden bei Verstößen/Straftaten nicht belangt, weil ja keine ladungsfähige Adresse vorliegt.“

Judith Peters

Als ich diese Version meiner Unternehmens-Webseite selbst aufbaute, musste ich auch die rechtlichen Texte erstellen. Und weil ich hier sehr vieles gar nicht mache, was für die DSGVO relevant ist, passten die üblichen Generatorenergebnisse nicht. Ich logge zum Beispiel keine IPs, habe keine Meta-Profile und keinen Newsletter. Daher habe ich basierend auf den rechtlichen Vorgaben meinen Text selbst verfasst. Trotzdem kam zwischenzeitlich jemand an und fand bei mir angeblich seine Formulierung wieder. Am Ende habe ich ihm dann eine nette Summe Euros bezahlt, weil ich mich am kürzeren Hebel sah.

Zusätzlich ändern sich Gesetze immer wieder. Bei einem Scan meiner Seite kam heraus, dass ich noch auf einen Rechtstext verlinkte, den es nicht mehr gab. Den Link hatte ich allerdings genau nur deswegen eingefügt, weil es zur Zeit der Texterstellung verpflichtend war. Nun war dieser Link offenbar wieder ein Risiko für Abmahnungen.

Diesen Zustand finde ich extrem unbefriedigend. In meiner Vorstellung sitzen da draußen Menschen, die sich bei jeder Änderung der Bedingungen freuen, dass sie online nach Menschen suchen können, die davon nichts mitbekommen haben. Und bei denen sie dann die Hand aufhalten können.

Was bewirken also angedrohte Abmahnungen?

Mit meiner Webseite und meiner Nachhilfe ziehe ich niemanden über den Tisch. Mein Ziel ist es, Wissen und Lernfreude zu vermitteln und meinen Schüler:innen mehr Selbstsicherheit zu geben. Mit meinem Blog verfolge ich keinerlei Verkaufsabsicht, sondern möchte mit mitteilen und informieren.

Und trotzdem mache ich mir unterschwellig Sorgen, ob ich eventuell doch etwas übersehen habe.

Diejenigen, die durch ihre „Geschäftsmodelle“ überhaupt dafür gesorgt haben, dass immer neue Gesetze und Verordnungen heraus gegeben werden, scheinen eher weniger beeindruckt. Ich sehe immer wieder Online-Shops, die mit KI-Bildern und ohne Impressum Kleidung zu Schnäppchenpreise anbieten. Und diese Produkte werden gekauft, wie auf Videoplattformen unter der Fomulierung „was ich bestellt habe vs was ich bekommen habe“ zu bewundern ist.

Und dann haben wir noch nicht über die Idee gesprochen, dass windige Firmen einfach seelenruhig bei einem anderen Unternehmen das Impressum klauen.

Gerade in der Lebensberatungs- und Lifestylebranche boomen die Kursangebote. Das BGH wurde im erwähnten Fall aktiv, weil ein „Mentoring“-Unternehmen ohne Zulassung Fernkurse weit jenseits meines Stundenlohns verkauft hat und einem unzufriedenen Kunden das Geld nicht zurück erstatten wollte.

Mit anderen Worten: Bei denjenigen, die sich sozial ordentlich verhalten, bewirken angedrohte Abmahnungen unnötig Stress. Oder sie investieren ordentlich Geld in Rechtsberatung oder Dinge wie einen Impressumsdienst. Währenddessen scheinen das Risiko auf Strafen diejenigen, die eigentlich mit den immer neuen Regelungen gemeint sind, eher kalt zu lassen.

Unterm Strich bin ich mir nicht sicher, ob der Gesetzgeber hier wirklich das erreicht, was er wollte. Aber ich habe auch keine Lösung für diese unbefriedigende Situation. Also werde ich weiterhin regelmäßig sehen, ob bei mir alles nach bestem Wissen und Gewissen auf dem neuesten korrekten Stand ist und dazwischen so gut es geht, nicht über das Thema Abmahnungen nachdenken.

Heute musste ich mir aber einfach mal Luft machen. Wie geht es dir? Hast du ähnliche Erfahrungen und Geschichten, was bei dir Abmahnungen bewirken? Oder siehst du das Thema Abmahnungen eher gelassen?

Fediverse reactions

Kommentare

4 Antworten zu „Was (drohende) Abmahnungen bewirken“

  1. @blogangela nee, also da war ich von Anfang an entspannt. Meine Programme haben keinen Lehrplan, keine Lern- oder Leistungskontrollen, auch kein Versprechen "hier lernst du in 4 Wochen das und das"… Ich habe vor, beim nächsten Launch noch mal genau aufs Wording zu schauen, damit da niemand auf Kurs oder Unterricht kommt, sonst nichts. Aber du hast völlig recht: Es ist wieder Arbeit, es ist Stress, es ist Unsicherheit… Es macht was mit uns, dabei sind wir nun echt nicht das Ziel 🤷‍♀️

    1. Ja genau Anna! Es bedeutet für mich eine Menge Aufwand. Emotional, in Form von Zeit und Energie und auch finanziell. Was in der Bilanz dabei rumkommt? Da ist mein Verdacht, dass es sich nicht so sehr lohnt, dass es gerechtfertigt ist, die Kleinen und Gesetzestreuen so zu stressen.

  2. I feel you! Ich hatte auch schon einmal eine Webseite wegen der Impressumspflicht aus dem Netz genommen, weil ich dort nicht mit Realnamen usw. im Impressum stehen wollte.

    Ansonsten kommt es mir bei vielen Dingen auch so vor – Stichwort Steuern. Ich habe schon als eher gering verdienende Freiberuflerin die obskursten Anfragen vom Finanzamt bekommen, à la: „Wieso verwenden Sie eine Werbepauschale, statt die Ausgaben einzeln aufzuführen?“ (Äh ja, wieso wohl? Weil es einfacher ist und vielleicht sogar mehr bringt? Weil es die Pauschale doch genau dafür gibt?). Und dann liest man wieder von milliardenschweren Steuerbetrügereien, die niemandem auffallen …

    Ich muss aber auch sagen, ich werde da immer schmerzfreier. Ich fülle meine Steuer oft mit dem Gedanken aus: „Wenn ihr wollt, dass alles richtig ist, dann macht eure blöden Formulare halt einfacher. Denn wenn eine intelligente Frau mit sehr gutem Textverständnis auch bei Bürokratendeutsch da nicht mehr durchblickt, versteht das sicher kein Laie…“

    Sprich, mich ärgert all das mehr, als dass es mir Sorgen bereitet.

    Liebe Grüße
    Katja

    1. Huhu Katja,
      das kommt ja noch dazu, dass es sicher Menschen gibt, die dieses Rechtsdeutsch noch weniger durchschauen als ich. Mich ärgert auch, dass ich mich immer so ein bisschen unzulänglich fühle, weil ich nicht einsehe, einer Rechtskanzlei so viel Geld zu überweisen, dass ich es am Ende auch lassen könnte mit meinem Nachhilfeunternehmen, weil die einen minimal höheren Stundensatz verlangen. Statt dass der Gesetzgeber mit der Einführung dieser Pflichten einfach für Privatblogs und Kleinunternehmen rechtssichere Textblöcke rausgibt, fertig. Was ich da an Stunden meiner kostbaren Lebenszeit in das Datenschutzmanagement gesteckt habe, da könnte ich in den Tisch beißen. Und was verarbeite ich an Daten? Namen, Adressen, E-Mails oder Telephonnumern. Kann ja schlecht meine Rechnungen raustrommeln oder per Rauchzeichen schicken.
      Liebe Grüße
      Angela

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