42 ist die Antwort – Von Memes und Desinformation

Photo von einer Figur aus Pfeifenputzern, die in der einen Armbeuge ein kleines Handtuch und ein Stück Pappe hält. Auf der Pappe steht: Don't Panic. Den anderen Arm hat sie zum blauen Himmel gereckt.

Vor ein paar Wochen war es mal wieder soweit: Jemand erzählte fröhlich: „42 ist die Antwort auf alle Fragen! Haha!“ Wissen wir ja alle.

Ist das so? Die Ergebnisse einer Onlinesuche scheinen diese Behauptung zu bestätigen. Eine häufig gestellte Frage ist:

Warum ist 42 die Antwort auf alle Fragen?

Es gibt sogar eine Sendung auf Arte mit dem Titel: „42 – Die Antwort auf fast alles“.

Und ich kann die Verwirrung verstehen. Wundere mich gleichzeitig über diejenigen, die die „fünf Bücher der vierbändigen Anhaltertrilogie“ gelesen haben, und sich dieses Meme trotzdem gegenseitig zuraunen.

Die Antwort auf die eine Frage

Die Kurzfassung

Der Plot der Anhalterserie basiert zu großen Teilen auf der Suche nach der „endgültigen Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest“. Die Antwort darauf hat der Supercomputer Deep Thought mit der 42 angegeben.

Letztlich geht es um das Bedürfnis nach Bedeutung. Und um die menschliche Eigenschaft, manchmal Dinge vom strategisch ungünstigsten Ende her anzugehen. Statt zuerst die Fragestellung genau zu planen und abzuklopfen, formulierten die Personen zu Anfang der Geschichte ihren Auftrag gleichermaßen hochtrabend wie unkonkret.

In Interviews sagte Adams, die 42 hätte keine tiefere Bedeutung. Dass er sie zufällig aus dem Hut gezogen hat, ist genau der Punkt.

„I sat at my desk, stared into the garden and thought ’42 will do‘ I typed it out. End of story.“

Douglas Adams

Und trotzdem versuchen immer noch Menschen, der 42 eine Bedeutung zu verleihen. Was ich wirklich sehr meta finde 🙂

Die längere Fassung

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Worum geht es überhaupt? Arthur Dent wacht eines Morgens auf und nur knapp rettet ihn sein Kumpel Ford. Er transportiert beide auf ein Raumschiff, kurz bevor die Erde weggesprengt wird.

Wie sich herausstellt, durchkreuzt diese Sprengung ausgerechnet das Forschungsprojekt um die mysteriöse 42. Und zwar ganz knapp vor dem erfolgreichen Abschluss.

Lange Zeit vor diesen Ereignissen hatte ein Supercomputer die Aufgabe, eine Frage zu beantworten. Nach siebeneinhalb Millionen Jahren der ausführlichen Berechnung rückt er sie in einer Zeremonie mit zwei Priestern heraus: 42.

Und wäre diese Zahl wirklich die Antwort auf alle Fragen, wäre der Plot hier zu Ende. Die beiden Priester wären nicht enttäuscht, Arthur hätte nicht so oft so wilde Abenteuer bestehen müssen. So eine Universalantwort wäre im Gegenteil richtig praktisch gewesen.

Stattdessen konstruierte der Supercomputer einen noch größeren, noch komplexeren Computer. Dieser sollte „die ultimative Frage nach dem Leben, dem Universum und allem“ berechnen.

Ursprünglich ging es den Priestern um die Bedeutung ihrer Existenz. Um den Sinn des Lebens. Und das hat Douglas Adams dann gründlich auf die Schippe genommen.

Netterweise hat Youtube mir ausgerechnet heute zufällig die Szene aus der Serienverfilmung vorgeschlagen 😀 Warnung: Spoiler!

42 ist die Antwort – Wo ist der Unterschied?

In der Diskussion vor kurzem meinte einer der Beteiligten: Ja, aber im Original steht ja auch was von „everything“:

„Answer to the Ultimate Question of Life, The Universe, and Everything

„Alle Fragen“ kann bedeuten:

  • Was gibt es morgen zu essen?
  • Warum wird die Ampel nicht grün?
  • Wer könnte hier mal mit anpacken?

Kein Wunder, dass sich da Menschen wundern, was das für merkwürdige Bücher sind 🤨

Die Frage nach allem ist aber genau eine Frage. Die ultimative Frage. Obwohl also dieser Mensch mir noch obiges Originalzitat auf Englisch lieferte, hielt er hartnäckig an seiner Hypothese fest, dass 42 irgendwie aber doch die Antwort auf alle Fragen sein müsse.

Inzwischen ersetzt auf diese Weise ein komplett sinnfreies Meme eine meiner Meinung nach treffende Persiflage auf menschliches Verhalten. Natürlich ist das kein Weltuntergang, wenn eine Romanreihe so verkehrt repräsentiert wird. Auch wenn mein Bedürfnis nach Logik dabei wirklich quietscht.

Übrigens habe ich bei einer englischsprachigen Onlinesuche kaum entsprechende Formulierungen gefunden. Daher frage ich mich, ob die These von „allen Fragen“ nur eine Sache des deutschen Sprachraums ist.

Die Macht der Wiederholung

Allerdings geht es mir in diesem Blogpost tatsächlich nicht nur um mein gekränktes Fanherz. Die 42 ist nur ein Beispiel von vielen für dieses Phänomen, wie auch manche Zitate den falschen Menschen zugeschrieben werden oder Liedtexte ganz anders sind als wir uns oft kollektiv zu erinnern glauben. In anderen Zusammenhängen hat diese Fehleinschätzung der Realität, auch Mandela-Effekt genannt, teils starke negative Konsequenzen.

Definition Meme

Unser Erbgut geben wir in Form von Genen weiter. Parallel dazu hat 1948 der Physiker und Philosoph Heinz von Förster den Begriff Mem geprägt. 1976 schrieb der Evolutionsbiologe Richard Dawkins von der englischen Variante Meme.

Ein Meme ist eine Portion kultureller Information. Im Internetzeitalter ist uns der Begriff hauptsächlich für mehr oder weniger lustige Bilder oder Videos geläufig, die sich oft viral verbreiten und damit genau die Funktion eines Mems erfüllen.

Auch der Satz „42 ist die Antwort auf alle Fragen“ ist also ein Meme, das online und offline immer wieder weiter gereicht wird. Offensichtlich ist es nicht wichtig, dass ein Meme faktisch richtig ist. Anscheinend macht die Verblüffung über die Sinnfreiheit die Verbreitung eher noch einfacher.

Psychologische Effekte

Zwei Effekte verstärken für uns die Glaubwürdigkeit von Memes. Je häufiger uns eine Information erreicht, und je näher wir uns der Sache fühlen, umso eher sind wir bereit, sie für wahr zu halten. Das klingt plausibel, ist außerdem gut erforscht.

„42 ist die Antwort auf alle Fragen“ ist nur ein Beispiel für den „Illusory Truth Effekt„. Wird eine Behauptung oft wiederholt, glauben wir sie oft bereitwilliger als neue Informationen. Das wird darauf zurück geführt, dass uns diese Behauptung immer geläufiger wird und unser Gehirn sie mit jeder neuen Begegnung leichter verarbeitet.

Der „Mere Exposure Effect“ funktioniert ähnlich. Je öfter uns etwas begegnet, desto positiver bewerten wir es und desto mehr interessieren wir uns dafür. Es sei denn, die erste Begegnung war negativ besetzt. Und was uns sympathisch ist, glauben wir eher.

Besonders online sind stetig wiederholte Falschinformationen ein Problem. Denn dort ist es technisch einfach, sie sehr schnell zu teilen. Je öfter wir eine Aussage sehen, umso häufiger teilen wir sie auch im Durchschnitt. Damit sorgen wir dafür, dass andere Menschen Informationen auch häufiger zu sehen bekommen, wahre wie falsche.

Darüber hinaus werden emotionalisierende Nachrichten häufig geteilt und angeklickt. Faktenchecks haben dagegen weniger Chancen, weil sie im Allgemeinen weniger plakativ geschrieben sind, sondern oft differenziert mehrere Sichtweisen beleuchten. Menschen sind ihnen deutlich weniger häufig ausgesetzt, weil Faktenchecks weniger schnell im Netz unterwegs sind. Insgesamt verbreiten sich Falschnachrichten schneller als faktisch richtige Informationen.

In der Realität ist es natürlich ein bisschen komplizierter. Die größte Zunahme an Glaubwürdigkeit findet bei der zweiten Wiederholung statt, weitere Begegnungen mit derselben Behauptung wirken zwar auch, aber in immer kleineren Schritten. Außerdem empfinden Menschen manche Informationen, die sich in Social Media häufig wiederholen, als Fake News, selbst wenn sie tatsächlich wahr sind. Diese Erkenntnis wird als „ökologischer Effekt“ interpretiert.

Am Ende ist es plausibel, dass Menschen an die 42 als Antwort auf alle Fragen glauben, selbst wenn sie die Bücher gelesen haben. Das Meme wurde oft genug wiederholt und die Romanreihe ist den betreffenden Personen offenbar sympathisch. Zusätzlich kommt noch die Bestätigung durch die Arte-Sendung dazu und damit ein sogenannter „Authority Bias„, also eine Verstärkung der scheinbaren Glaubwürdigkeit durch eine Quelle mit gutem Ruf.

Beispiele

In den letzten Jahren haben Personen in der Öffentlichkeit einige Behauptungen auffällig oft wiederholt. Leider oft unwidersprochen.

Eine kleine Auswahl von Themenbereichen:

  • Menschen mit Migrationshintergrund
  • trans Menschen
  • Bürgergeldempfänger*innen
  • Elektroautos
  • das Gebäudeenergiegesetz

Entsprechend haben sich bei diesen Themen Memes im öffentlichen Bewusstsein festgesetzt, die grundsätzlich nicht wahr sind. Und hier sind die Folgen existenzieller als bei der Uminterpretation einer Science-Fiction-Geschichte aus den 80ern.

Egal wie sehr mich der Spruch mit „allen Fragen“ auf die Palme bringt 😉

Deutlich ausgedrückt: Wie die Gesellschaft Mitmenschen wahrnimmt, steuert die Gewalt und Diskriminierung, die diese Gruppen erfahren. Das Ansehen ressourcenschonender Technologien beeinflusst, wie gut wir eine menschenverträgliche Zukunft schaffen können.

Was können wir tun?

Wenn wir uns bewusst sind, dass wir ein Problem haben, ist das schon ein großer Teil der Miete. Neben den beiden beschriebenen Effekten sollten wir uns auch klar sein, dass wir öfter irrational und gefühlsbasiert entscheiden und handeln als wir glauben. Genauso ist es eine gute Idee, und regelmäßig klar zu machen, wie viel wir nicht wissen und wie oft wir uns in Sachen Falschinformationen überschätzen.

Für das kritische Denken müssen wir uns immer wieder bewusst entscheiden. Außerdem muss diese Art, die Welt zu sehen, überhaupt erst gelernt und immer wieder trainiert werden. Das geht am besten im Zusammenspiel zwischen dem Bildungswesen, Medien und Privatpersonen. Die Bundeszentrale für politische Bildung bietet viel Material an und auch öffentlich-rechtliche Medien informieren über Desinformation.

Der entscheidende Punkt ist, dass möglichst viele Menschen sich dieses Material aktiv holen und lesen. Da sind wir wieder bei der Tatsache, dass Lernen politisch ist, auch und besonders das lebenslange Lernen.

Auch wenn Faktenchecks der Desinformation und den Fake News mühsam hinterher rennen: Falschinformationen dürfen nicht unwidersprochen online stehen bleiben. Es ist im Gegenteil gerade deswegen so wichtig, entsprechende Artikel zu teilen. Nach gründlicher Überprüfung natürlich 😉

Und es ist wichtig, nicht nur zu untersuchen, warum wir manchmal Falsches glauben. Sondern auch, wie das systematisch ausgenutzt wird, um gezielt zum Beispiel Wahlen zu beeinflussen. Auch diese Informationen gehören immer wieder auf den Tisch. Wenn wir wahrnehmen, dass eine Person eine Behauptung besonders oft wiederholt wie ein Mantra, sollte uns das aufhorchen lassen.

Wir werden Falschinformationen nicht komplett eindämmen. Und wir werden auch nicht auf wundersame Weise dafür sorgen, dass unsere Gehirne rationaler funktionieren. Gleichzeitig sehe ich das eher als Anlass, immer wieder darüber zu bloggen, wie und wo wir Menschen mit unserer Kommunikation ungewollt schräg abbiegen.

Ich wünsche allen, die diesen Beitrag am 25.5. lesen, noch einen fröhlichen Handtuchtag allerseits!

42 ist die Antwort – Wie siehst du das?

Gibt es auch bei dir eine Sache, die in deiner Gegenwart oft falsch zitiert wird? Frustriert dich das auch?

Und wie fühlst du dich damit, wie Personen des öffentlichen Lebens und manche Medien aus politischen Gründen Desinformations-Memes auf den Weg schicken? Wie gehst du damit um?


Mit diesem Beitrag habe ich mir lange abgelagerten Frust von der Seele geschrieben. Ich verspreche, in kommenden Blogartikeln wird es weniger um Dinge gehen, die hauptsächlich meine persönliche Befindlichkeit betreffen 😉

Dieser Beitrag hat dir gefallen? Auf meinem Blog findest du noch mehr Artikel zum Thema Gesellschaft 🙂

Fediverse reactions

Kommentare

Eine Antwort zu „42 ist die Antwort – Von Memes und Desinformation“

  1. Liebe Angela,

    Aktuelles Beispiel:

    Die neue Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) hat in dieser Woche ein Interview gegeben, in dem sie sagt: „Es muss Schluss sein mit dem Zwang zur Wärmepumpe.“
    (https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/waermepumpe-katherina-reiche-foerderung-li.3256484?reduced=true)

    Ähnliches ja auch mit „Genderzwang“, „man darf nicht mehr Indianer sagen“ oder was immer. Begegnet mir, mal wütend, mal humorig, im Alltag immer wieder. Dann heißt es atmen, atmen, atmen…

    Und klar mache ich auch Zuordnungsfehler. die ich manchmal irgendwann bemerke. Ich hatte „Survival of the fittest“ auch lange Darwin zugeordnet und nicht richtigerweise Herbert Spencer.

    Dafür weiß ich, dass das Zitat „Zwei Dinge sind unendlich: das Universum und die menschliche Dummheit; aber beim Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“ wahrscheinlich nicht von Einstein ist.

    Es passt aber trotzdem so oft so schön.

    Liebe Grüße
    Katja

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